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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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nichts zu verhindern, ein Feld perfekt platzierter Dominograbsteine, die der Physik gehorchen wie die Deutschen ihren Führern, also hundertprozentig verlässlich umkippen, einer nach dem anderen, und somit ein Ergebnis produzieren, das man ohne jede Fantasie hätte ausrechnen können:
    (ωWegener ∪ Karolina) <<< (ℵDDR +ℵZufall + ℵSex)
    Die Fernsehbilder auf dem Plasma-Megaposter an der EastSide-Fassade wiederholten sich, die Frau mit den blonden Locken und den zerfetzten goldenen Pappflügeln auf dem Rücken hatte vor zehn Minuten auch schon in die Kameras geschrien, jetzt verschmierte sie zum zweiten Mal die Schminke mit dem Handrücken, ihr verheultes Gesicht glänzte wieder 3 6 Quadratmeter groß über dem Alexanderplatz, die Ameisenmasse zwischen Berolina-Haus und KDO wuchs weiter, aus vier Ecken strömten sie auf die Freifläche, drängten sich vor dem VIP-Car-Walk, starrten auf das digitale Elend über ihnen. Wieder wurde der Kameramann angerempelt, wieder wackelten die Bilder, zeigten auf der Straße liegende und sitzende Weihnachtsmänner, Engel, Rentiere, Ratlose, aufgelöste Kostümgesichter, im Hintergrund die Flammenwand, schwarzer Rauch, der vom dunklen Himmel verschluckt wurde, und unter allem das Endlosband des News-Tickers: Sprengstoffanschlag auf Kino International +++ Zahlreiche Verletzte bei Premiere von RED REVENGE +++ Gysi: »Den Sozialismus kann man nicht zerbomben« +++ Behörden ermitteln +++
    Wegener trank einen Schluck Bier. Das Minsk vibrierte in brummenden Schüben auf der Tischplatte. Unterdrückte Nummer.
    »Hallo?«
    »Herr Wegener?«
    »Am Apparat.«
    »Christian Nadrowski, stellvertretender Direktor des EastSide-Resorts, können Sie mich verstehen?«
    »Einwandfrei.«
    »Hier unten ist die Hölle los, seit wir den Screen auf Livebild gestellt haben, warten Sie mal bitte einen Momen t …«
    Es knackte. Die Verbindung war weg.
    Auf dem Megaposter lief jetzt Werbung: Eine frustrierte Frau mit Prinz-Eisenherz-Frisur im Windkanal neben dem neuen Phobos Cabriolet, die Hände der Frustrierten streichelten über das Kunststoffverdeck, malten einen unentschlossenen Kreis in die Luft, formten eine Raute vor dem weißen Kittelbauch. Text blendete ein: Noch effizienter dank noch weniger Widerstan d – Physik-Nobelpreisträgerin Angela Kasner für den neuen Phobo s II Flux. Die Windkanal-Turbine sprang an und blies das dünne Haar der Frustrierten zur Sturmfrisur auf. Ihre Mundwinkel blieben unten.
    Die unterdrückte Nummer vibrierte.
    »Herr Nadrowski?«
    »So, Entschuldigung, jetzt bin ich in der Halle. Hören Sie mich?«
    »Immer noch einwandfrei.«
    »Die Zentrale hat mich über Ihren Anruf informiert. Herr Günzow hätte jetzt Zeit für Sie. Er wartet am Check-In.«
    »Offen gesagt, ich würde das ungern bei Ihnen im Haus erledigen. Es wäre nett, wenn Herr Günzow kurz in die Fernsehturmkuppel kommen könnte. Ich sitze an Tisc h 4.«
    »Wir bieten Ihnen selbstverständlich auch einen Meeting-Room an.«
    »Vielen Dank, Herr Nadrowski, aber ich mach so was lieber auf neutralem Terrain, das Personal vom ›Schauinsland‹ ist informiert, die lassen ihn durch. In 3 0 Minuten sitzt er wieder an seiner Schranke.«
    »Ja gut, ok, dann sag ich ihm das. Aber er hat doch nichts, also, verstehen Sie das nicht falsch, Herr Wegener, aber er hat doch nichts mit dem Mord zu tun? An dem Mann vom BND, in unserem Haus? Wir sind hier nach wie vor verstört vom Gang der Ereignisse, und Herr Günzow war immer einer unserer besten und zuverlässigsten Mitarbeiter un d …«
    »Es geht nur um eine Zeugenaussage.«
    »Ja, dan n … Wissen Sie schon was Neues von dem Anschlag auf das Kino International, wenn ich das bei dieser Gelegenheit noch fragen darf?«
    »Dürfen Sie, aber ich weiß zurzeit auch nur das, was bei Ihnen auf der Großleinwand läuft. Tut mir leid.«
    »Dann hoffen wir mal das Beste. Auf Wiederhören.«
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Herr Nadrowski.«
    Wegener drückte das Gespräch weg, lehnte sich zurück, ließ sich vom schleichenden Mechanismus des Restaurantbodens weiter in Richtung Osten tragen, schwebte im Sitzen an der Stadt vorbei, war eine ehemalige Fick-Schnecke, die Bier trank, statt darin zu ersaufen, die ihren Kopf als länglich verzerrte Pfützenspiegelung in den gewölbten Scheiben sehen konnte und die sich plötzlich uralt vorkam.
    Der leuchtende Riesenplasmaschirm, das KDO, das Berolina-Haus verschwanden Meter für Meter hinter der Kugelkrümmung, die Karl-Marx-Allee

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