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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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du denn, was da hinter den Kulissen abläuft?« Er schluckte den Wurstbrei runter. »Glaubst du wirklich, dass die sich nach der Wiederbelebung nicht rückorganisiert haben? Nur besser als früher? Kleiner? Unauffälliger? Die Sicherheit ist doch nicht der gestutzte, legale, harmlose Dienst, den das ZK immer beschwört. Ich hab komische Sachen erlebt in den letzten Jahren.«
    »Jetzt fängst du doch wieder mit Früchtl an.«
    Wegener spürte, wie die Wut zurückkam. » Du fängst davon an! Ich rede von meiner alltäglichen Arbeit. Es gibt Fälle, in denen uns Ermittlungsergebnisse von der Sicherheit diktiert werden. Fälle, die man uns einfach wegnimmt. Endlose Überwachungsbeschlüsse, nicht genehmigte Abhöraktionen, dubiose Sicherheitsstufen.«
    »So arbeitet jeder westliche Inlandsgeheimdienst auch.« Karolina klang, als müsse sie sich selbst überzeugen. »Krenz hat den Laden damals mit Schily ausgemistet, damit brüstet er sich heute noch vor jedem Menschenrechtler der Nordhalbkugel. Viel mehr ist von der Wiederbelebung nicht übrig geblieben, die Zerschlagung und Neustrukturierung der Stasi bleibt vielleicht sein einziges historisches Verdienst! Ich glaube kaum, dass er es sich leistet, so was zu verspielen. Mal ganz abgesehen davon, dass das bereinigte Staatssicherheitsgesetz zu den Voraussetzungen der Konsultationen gehört.«
    »Und von wem kontrolliert? Wer überprüft das?«
    »Ach, Martin.«
    »Tut mir leid, aber du vertraust einem Staatschef, der dich im Ernstfall ohne richterliche Genehmigung abhören lässt?« Wegener merkte, dass die Unterhaltung gegen seinen Willen abglitt. »Einem Mann, der dich in deinem eigenen Land einsperrt? Dem vertraust du?«
    Der Bumskopf von Wurst-Wilfried erschien in der Verkaufsluke des Wohnwagens, schraubte sich nach links, nach rechts, verschwand wieder.
    »Das ist was anderes.« Karolinas mürrischer Mund war wieder da. »Er hat 1990 Wort gehalten und die Grenzen geöffnet. Was hättest du denn getan, wenn dein Volk dir wegrennt, zehntausend jeden Tag? Du hättest die Mauer auch wieder geschlossen, sonst wärst du von deiner eigenen Partei abgeschafft worden. Und man braucht nun mal Macht, wenn man echte Veränderungen durchsetzen will.«
    » Sein Volk!« Wegener nahm seine Pappschale und warf sie in den Mülleimer. Er fragte sich, ob Karolina wirklich glaubte, was sie da erzählte. Ob man sich in relativ kurzer Zeit so verändern konnte. Ob ihr Posten im Ministerium sie tatsächlich umdrehte.
    Karolina zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich habe auch gar nicht behauptet, dass die Stasi diesen Mord begangen hat«, sagte Wegener. »So blöd sind sie vermutlich nicht. Ich habe nur gesagt, dass es vielleicht Leute gibt, die nicht möchten, dass der Westen mehr Einfluss gewinnt. Dass sich die Grenzen noch mal öffnen. Manche haben es ganz gut hier.«
    »Wenn ich mich richtig erinnere, heißt es immer, zusammengebundene Schnürsenkel waren eine Bestrafung für Verräter«, sagte Karolina. »Damals, meine ich.«
    »Ja.« Wegener wusste, was jetzt kam. »War es. Angeblich.«
    »Und warum bringt die Stasi zweiundzwanzig Jahre nach der Wiederbelebung, vier Wochen vor den Konsultationen einen Verräter um? Einen Verräter, der was genau verraten haben soll?«
    »Ich sage doch, sie haben vermutlich nichts damit zu tun.«
    »War dieser Erhängte bei der Sicherheit?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Die Konsultationen müssen erfolgreich sein«, sagte Karolina. »Um jeden Preis. Das ist der einzige Weg. Nur so kann sich hier etwas ändern. Die Annäherung an den Westen bedeutet Reformen, und Reformen bedeuten, dass wir eines Tages attraktiv werden für alle Westdeutschen, die keinen Bock mehr haben auf den Selbstbedienungskapitalismus, auf gierige Manager und unfähige Banker und kriminelle Fonds. Dann kommen noch mehr zu uns rüber. Und dann kann Krenz auch wieder aufmachen, weil niemand mehr abhaut.«
    »Vielleicht muss er dann auch die Mauer erhöhen, weil wir so beliebt werden, dass gleich die ganze Bundesrepublik zu uns rüber ziehen möchte.«
    »Von deinem Sarkasmus fallen dir nur noch mehr Haare aus.«
    »Ehrlich, du klingst, als würdest du mit Lafontaine diskutieren«, sagte Wegener und wischte Karolina mit seiner Serviette den Soßenfleck vom Mundwinkel.
    »Werde ich vielleicht auch.« Karolina zog ihren Kopf weg. »Ich bin nämlich bei den Konsultationen dabei. Die Unterhändler brauchen Infos aus erster Hand.«
    »Die brauchen hübsche Mädchen, sonst

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