Plan D
Markenschilder herauszutrennen, oder ob Karolina selbst so vorsichtig geworden war.
Wegener trank sein Radeberger aus, winkte dem Ober, deutete auf das leere Glas. Der Ober nickte und stolzierte in Richtung Bar. Sein dicker Hintern wackelte in der schwarzen Hose.
Die Kugel des Fernsehturms drehte sich langsam weiter, Wegener fuhr samt Tisch im Schneckentempo nach Osten. In einer Viertelstunde würde die Grenze nicht mehr zu sehen sein, dann läge alles hinter ihm, unsichtbar, das andere Berlin, die ewige unwirkliche Verlockung, das EastSide, das KDO, Wilfrieds Wurstbude und Karolina, wo immer sie gerade war, wo immer sie sich Weststiefel und Weststrumpfhose auszog, um den rostroten Nagellack auf ihren Zehen zu erneuern.
Das Minsk leuchtete, im Display blinkte W . B. Büro ruft an .
Wegener zögerte ein paar Sekunden, dann nahm er ab.
»Wo bist du?«
»Alex«, sagte Wegener. »Fernsehturm.«
»Wir sind so weit durch.« Borgs klang entspannt. »Das halbe K5 war da, Kallweit natürlich auch. Ne richtig nette Runde.«
»Und demnächst macht ihr alle zusammen Urlaub auf der Krim«, sagte Wegener. »Kaviar fressen in der Sauna.«
»Von Krim-Hilds nacktem Arsch.« Borgs räusperte sich, wie er sich immer räusperte, wenn er glaubte, er hätte einen Witz gemacht. »In Kurzform: Die K5-ler beurteilen die Angelegenheit ähnlich. Sie halten sogar irgendeine private Rache-Aktion von Ex-Hauptamtlichen für möglich, die aus dem Ruder gelaufen ist. Wissen aber nichts Konkretes.«
»So was hab ich mich heute auch schon mal sagen hören.«
»These zwei: Der Tote hat im großen Energiezirkus abkassiert, Bestechung, Korruption, was auch immer. Wäre nicht verwunderlich, bei den Summen, die da unterwegs sind.«
»Hm.«
»Auf jeden Fall schlottern denen ordentlich die Knie wegen der Konsultationen, war ja abzusehen. Die Sache wandert auf jeden Fall rüber. Warte mal einen Moment, Kallweit auf dem Mins k …«
Das Pils rückte an. Wegener schob sein leeres Glas über den Tisch. Der Ober nahm es in die Hand wie ein Geburtstagsgeschenk, das er sich nie gewünscht hatte, und stellte das frische Bier ab. Am nassen Glasfuß pappte der Rechnungs-Bon , 7 Radeberger à 2,6 0 Mark. Total: 18,2 0 Mark. Einen schönen Ostberliner Abend wünscht Ihr Team vom Schauinslan d – die Restauration im Fernsehturm. Wegener trank einen Schluck.
»So, da bin ich wieder«, sagte Borgs. »Was säufst du da?«
»Radeberger.«
Borgs schmatzte sehnsüchtig. »Fischers Wohnung?«
»Sieht nach ner leeren Adresse aus. Voss rief vorhin an, von den Nachbarn kam auch nichts. Ein paar haben Fischer mal im Aufzug getroffen, man hat sich gegrüßt, das war’s. Keiner, der ihn näher kannte. Nachbarschaft darf man so was gar nicht nennen.«
»Ihr Nachbarn, Ihr Brüder im Geiste«, zitierte Borgs, »seht her, ich war immer bereit, und bedenkt, was ich zukünftig leiste, wenn ihr mit mir marschiert, Seit’ an Seit’.«
»Mit den Brüdern im Geiste kann sich ab jetzt das K5 beschäftigen.« Wegener zog sein Portemonnaie aus der Manteltasche. »Glück für uns. Fortuna ist blind, hab ich gerade gelesen.«
»Wir Kriminalisten hängen wie hungrige Säuglinge an Fortunas trockenen Titten, Martin. Morgen kriegst du einen Gelben, du setzt deinen Egon drunter, und das war’s.«
»Beim Energieministerium hat Fischer übrigens nicht gearbeitet.«
Am anderen Ende der Leitung war es ein paar Sekunden still.
»Sagt deine Verflossene.«
»Ich dachte, ich frag mal jemanden, von dem ich eine ehrliche Antwort kriege.«
Noch ein paar Sekunden Stille.
»Lass es aus dem Bericht raus.« Borgs klang jetzt eine Spur ernster. »Von denen muss niemand wissen, dass du mit Tatortfotos hausieren gehst.«
»Keine Sorge, die können ihre Arbeit schön selber machen.«
»Bis morgen.« Borgs legte auf.
Wegener betrachtete das Minsk-Display, in dem sich die Bestandteile des Telemedien-Logos als 3-D-Animation zusammenfügten, um sofort wieder auseinanderzufallen. Er klickte sich ins Nummernverzeichnis und drückte auf Wählen. Nach zwei Freizeichen wurde abgenommen.
»Martin.« Karolinas Stimme klang müde.
»Bist du schon im Bett?«
»Ich war in der Wanne. Jetzt liege ich auf der Couch und schlafe über Volker Braun ein.«
»Geschieht ihm recht«, sagte Wegener und sah aus dem Fenster. Berolina-Haus, EastSide, KDO waren verschwunden. Es regnete immer noch.
»Hast du vorhin was vergessen?« Karolina gab sich Mühe, interessiert zu klingen.
»Ja.« Wegener merkte, dass
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