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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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der Kellner ihn beobachtete. »Die Gas-Russen, mit denen du zu tun hast, lernst du die näher kennen?«
    »Wie, näher?« Karolina klang plötzlich hellwach.
    Sieh an, sagte Früchtl im Hinterkopf, jetzt hat sie einen Schreck gekriegt.
    »Die Frage ist: Kannst du diese Typen einschätzen?«
    »Du meinst, ob die gefährlich sind?«
    »Genau. Was sind das für Leute? Haben die euch mal gedroht?«
    Karolina stutzte. »Du glaubst, die haben was mit deiner Ermittlung zu tun?«
    »Ich glaube nur, dass eure Geschäfte die besten sind, die unser Staat zur Zeit macht. Und ich frage mich gerade, was mit jemandem passiert, der sich querstellt, aus welchem Grund auch immer.«
    »Dein Toter.«
    Kluges Kind, sagte Früchtl.
    Wegener beobachtete den Kellner. Der hatte sich inzwischen selbst ein Bier gezapft und hievte seinen dicken Hintern auf einen Barhocker. Die beiden Arschbacken hingen rechts und links über das Sitzpolster. »Gut, für’s Ministerium hat er nicht gearbeitet, aber er kann zum Zoll gehört haben, zum Pipeline-Kombinat, zu irgendeinem Laden, der vielleicht ein bisschen die Hand aufhält, wenn die Euros über Ostberlin nach Moskau wandern.«
    Karolina schwieg.
    »Oder kommt so was nicht vor?«
    »Ich kann das nicht einschätzen, Martin.« Karolina klang, als entschuldige sie sich für etwas. »Ich handele Energieverträge aus, ich schreibe keine Dissertationen über die russische Gas-Mafia.«
    »Aber du hast eine persönliche Meinung«, sagte Wegener.
    »Einer von denen war mal sehr hartnäckig, gleich am Anfang. Der hat mich dauernd zum Essen eingeladen. Irgendwann hab ich angenommen, damit er mich in Ruhe lässt.«
    Früchtl lachte laut auf.
    »Wohin eingeladen?«
    Karolina zögerte. »Ins EastSide.«
    Wegener lächelte. »Und was kostet das Gramm Koks?«
    »Ho-ho-ho.«
    »Hat er Ärger gemacht?«
    »Als ich nicht mit auf sein Zimmer wollte, war er sauer. Da sind Russen auch nicht anders als andere Männer. Aber er hat mir nicht gedroht, mich an einer Pipeline aufzuhängen.«
    »Und im Rahmen der Geschäfte? Ist da mal Druck ausgeübt worden?« Wegener zog einen Zwanzig-Mark-Schein aus seinem Portemonnaie.
    Karolina zögerte. »Letztes Jahr gab es Streit um die Anpassung der Transitgebühren, obwohl die in den Transferverträgen festgeschrieben sind. Da ging es ganz schön zur Sache, und natürlich wurde auch mal gedroht. Aber auf energiepolitischer Ebene. Erhebung von Gas-Zöllen für die SU. Stärkere Hinwendung zum asiatischen Markt. Und künstliche Verknappung natürlich.«
    »Natürlich«, sagte Wegener.
    »Was ein paar Ebenen höher passiert, weiß ich nicht. Wer da die Hand aufhält oder nicht, weiß ich auch nicht. Will ich auch gar nicht wissen.«
    Wegener stellte sich vor, wie Karolina gerade aussah. Die Augen müde. Der Mund so leicht geöffnet, dass man die großen Schneidezähne erkennen konnte. Feuchte Lippen. Ein träger, warmer Engel.
    Vielleicht ist sie auch nackt, sagte Früchtl, immerhin war sie in der Wanne, und während du mit ihr sprichst, Martin, krault sie sich gerade mit einer Hand ihre rote Wolle un d …
    »Also: Du glaubst nicht, dass die so weit gehen würden.«
    »Ehrlich gesagt, nein. Die sind geil auf Geld und auf deutsche Frauen, aber Mörder sind das nicht. Zumindest nicht die, die ich kenne. Essen werde ich mit den Typen trotzdem nie wieder.«
    »Das wollte ich wissen«, sagte Wegener.
    »Warum interessiert dich das überhaupt?«
    »Weiß auch nicht. Gewohnheit.«
    »Du hast mir was versprochen.«
    »Und gehalten. Morgen früh bin ich aus der Sache raus.«
    »Sehr schön. Dann kann ich ruhig schlafen.«
    »In meinem Bericht taucht nichts von dem auf, was du mir gesagt hast.«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Du bist eine gute Gas-Nutte, Karo.«
    »Für dich immer.«
    Stille.
    »Ich wäre jetzt gern bei dir.«
    Dein alter Fehler, sagte Früchtl.
    »Geh ins Bett, Martin.«
    Es piepte leise.
    Karolina hat die Verbindung beendet.
    Wegener starrte auf den Zwanzig-Mark-Schein, der vor ihm auf dem Tisch lag. Er fühlte sich genau so, wie Goethe guckte.

Freitag, 21. Oktober 2011

6
    D ie Sirene kreischte die Menschen von der Straße, zwei Töne im Wechsel, von denen jeder der schrillste sein wollte. Kinder wurden zur Seite gerissen, Wagen duckten sich am Straßenrand. Der vollbärtige Chauffeur trat das Gaspedal durch. Es gab einen Schub, die Tachonadel zuckte, der Motor röhrte gegen das Sirenengeheul an. Die Ulbricht-Allee verschwamm zu einem grau-braunen Häuserbrei, der jetzt kräftig

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