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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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drin verschütten, man riecht trotzdem noch Pumpenöl und Pumpenfett.«
    Wegener schnupperte. Jocicz hatte Recht. Die Walter Ulbricht duftete durch den beißenden Formalingestank ein bisschen nach untergegangenen Zeitaltern, nach schnurrbärtigen Ingenieuren, goldgelbem Schmierstoff, dreckigen Baumwolllappen, Diesel und handgemachter, gusseiserner Technik. Es konnte nur eine Frage von Minuten sein, bis der Oberkommandierende den Raum betrat, zufrieden das ausgenommene Alien begutachtete, ein paar entscheidende Kippschalter umlegte und den Abflug in die Tiefen des Kosmos befahl, um die darbenden, arbeits- und bauernfähigen extraterrestrischen Kulturen mit der Planwirtschaft zu beglücken.
    »Das Leben in der DDR kann spannend sein, was, Herr Hauptmann?« Jocicz zwinkerte. »Jetzt stehen Sie in einem Pumpenhaus neben einer Leiche und warten auf den West-Supermann.«
    Wegener drehte sich um. »Kennen Sie Brendel?«
    Jocicz schüttelte den Kopf. »Nie gesehen, nie gehört. Scheint aber nebenan eine Nummer zu sein.«
    »Scheint«, sagte Wegener. »Mehr weiß keiner.«
    »Nur für das weitere Verfahre n …« Jocicz rückte einen Beistellwagen mit Sezierbesteck gerade. »Leiten Sie diese Ermittlung, ich meine operativ, oder macht das ab jetzt unser Neuzugang?«
    Wegener sah Jocicz an. »Würden Sie sich mir gegenüber anders verhalten, wenn ich diese Ermittlung in fünf Minuten nicht mehr leite, Herr Doktor?«
    Jocicz überlegte kurz und lächelte eckig. »Vermutlich sollte man auf so eine Frage nicht antworten.«
    »Vermutlich nicht. Bis auf Weiteres leiten Herr Brendel und ich diese Ermittlung gemeinsam. Wenn sich daran etwas ändert, werden wir Sie informieren.«
    Zwei grelle Lichtflecken wischten über die Sprossenfenster und warfen für eine Sekunde verzerrte weiße Vierecke an die alten Ziegel.
    »Es geht los«, sagte Lienecke.
    Draußen knirschten Reifen im Kies, mehr war nicht zu hören. Kein Motorbrummen, kein Knattern, kein Röhren. Lienecke kletterte auf einen der alten Trafokästen.
    »Was zu sehen?« Jocicz hatte die Idee mit den Trafokästen offenbar auch gehabt und wollte jetzt nicht Zweiter sein.
    »Mercedes S 600«, sagte Lienecke und versuchte gar nicht erst, die Ehrfurcht in seiner Stimme zu verstecken. »Man kann von den Kapitalisten halten, was man will, aber Beinfreiheit haben sie.«
    Wortlos stieg Jocicz neben Lienecke auf den Kasten. Wegener zögerte, dann kletterte er auch.
    Im Hof stand ein glänzender schwarzer Panzer. Zwei scharf geschnittene Dreiecke aus gleißendem Glas als Scheinwerfer. Die lang gestreckten Flanken der Limousine schimmerten metallisch, der Mercedesstern über dem gewaltigen Kühlergrill funkelte. Hinter den dunklen Scheiben war niemand zu sehen.
    »Viel Spaß mit unserer Schlaglochkollektion«, sagte Wegener.
    »Luftfederung«, raunte Lienecke, »Infrarot-Nachtsichtassistent, 12 0 Meter Sichtweite, Pre-Safe, Distronic-Plus mit Nahbereichsradar, Müdigkeitserkennung, 27 2 PS. Und man hört nichts. Überhaupt nichts.«
    »Du erstaunst mich immer wieder.«
    »Geh mal auf su.gruenvorneid.ddr .«
    »Wäre was für die Sicherheit, so ein Schlitten«, sagte Jocicz.
    »Ich glaube, die reisen lieber unauffällig.« Wegener kletterte vom Trafokasten. »Ulf, wenn der Brendel dich so am Fenster kleben sieht, lässt er dich morgen den Wagen waschen.«
    »Und weißt du was?« Lienecke starrte weiter nach draußen. »Ich würde es tun. Stundenlang. Inklusive Innenreinigung.«
    »Ich auch.« Jocicz sprang auf den Kachelfußboden und postierte sich am Seziertisch. Offenbar fühlte er sich in der Nähe seiner Leiche sicherer. »Wenn ich dafür mal fahren dürfte.«
    »Das kann doch nicht sein, dass bei denen jeder Sokochef so eine Bonzenkarre hat!« Lienecke drehte sich um und breitet hilflos die Arme aus. »Was sollen denn dann die Bonzen fahren?«
    »Guck dir das Kennzeichen an«, sagte Wegener, » B – G S 38. Das ist ein Wagen vom Bundesgrenzschutz.«
    » B – G S 38«, äffte Lienecke nach, »das ist Brendels grenzübergreifendes Superermittlungsmobil ! Warum soll denn der Bundesgrenzschutz S-Klassen kaufen?«
    »Warum leckt sich die Artistin die Muschi?«
    »Sag es mir.«
    »Weil sie es kann.«
    Draußen schmatzten nacheinander vier Autotüren ins Schloss. Kiesschritte. Eine Männerstimme lachte gedämpft. Borgs, dachte Wegener, der große Schweiger. Lachen kann er ab und zu, denn Lachen ist inhaltslos. Unverbindlich. Wenn die Angelegenheit Hoffmann schiefläuft, wenn das richtig

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