Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
Vom Netzwerk:
der heute Morgen bei Herrn Doktor Moss war.«
    »Ja, in einer Ermittlungsangelegenheit.«
    »Nu, dann hätten wir das ja geklärt. Herr Wegene r –«
    »Herr Doktor Braun, vielen Dank für Ihre Zeit.«
    »Auf Wiederhören.«
    Wegener drückte das Gespräch weg. Der Chef von Karolina war ein blöder Sack, keine Frage. Sicher ein Doppelkinnscheusal. Ein feister, überkorrekter Energie-Bürokrat. Vielleicht ein IM. Vielleicht keiner. Vielleicht waren beide Chefs von Karolina IMs. Doktor Braun und Doktor Moss. Und der erste Doktor wusste nichts von dem, was der zweite Doktor machte. Beide Doktoren arbeiteten permanent für die gleiche Sache und trotzdem gegeneinander. Dokterten an den Privatsachen des Kollegen herum. Verdächtigten sich abwechselnd. Versteckten Unterlagen, die der andere suchen musste. Erledigten alles doppelt. Dachten sich Finten und Sackgassen aus, wurden beide andauernd in die Irre geführt und führten die Stasi mit den Finten und Sackgassen des anderen in die Irre, weil sie alles ungefiltert weitergaben, weil dadurch ein unendlicher Wust von Dichtung und Halbwahrheit auf den Tischen irgendwelcher überarbeiteter Führungsoffiziere landete, die aus tausend Quellen tausend widersprüchliche Angaben bekamen, die am Ende alles hatten, die Tatsachen und jede erdenkliche, fantastische Variante der Tatsachen, die als hilflose Goldgräber bis zum Hals im Informationsfluss standen und aufpassen mussten, nicht weggerissen zu werden von lauter Tonbandprotokollen und Kopien und Notizen und Fotos und Beurteilungen. Was für eine Anstrengung, dachte Wegener. Was für ein anstrengender Staat. In dem es kein richtiges Klopapier gibt, aber dafür Hunderte gut bezahlter Archivare des obsoleten Chaos.
    Es klopfte.
    Bevor Wegener etwas rufen konnte, war die Bürotür schon offen. Ein verschwitztes Hemd kam herein, Frankenstein guckte gequält aus dem Kragen. Seine betonierte Mephistofrisur hatte in den letzten Stunden heftig gelitten.
    »Nichts. Das können wir vergessen.«
    Wegener legte die Beine auf den Schreibtisch und merkte zu spät, dass er in diesem Moment zum Borgs-Imitator geworden war.
    »Wenn ihr wenigstens einen Teil des Kennzeichens erkannt hättet.« Frankenstein wischte sich mit dem Ärmel über die feuchte Stirn. »Aber nur ein weißer Phobo s II, wie soll das gehen?«
    »Ein weißer Phobo s II mit roten Ralleystreifen.«
    »Meinetwegen auch mit roten Ralleystreifen. Als ihr angerufen habt, war der längst hinter Rostock, samt seinen Ralleystreifen.«
    »Wie gesagt, es gab kein Funknetz.«
    Frankenstein zog sich einen Stuhl zum Schreibtisch und setzte sich. »Wir haben uns die Karten noch mal genau angeguckt. Da ist noch eine zweite Zufahrt zu der Datsche. Von der anderen Seite sozusagen. Das Navo hat sie nicht angezeigt, weil das keine Straße ist, sondern ein Wirtschaftsweg.«
    »Und der Acker, auf dem wir geparkt haben, das ist kein Wirtschaftsweg, oder was?«
    »Frag mich nicht. Diese Straße, oder was auch immer das ist, macht einen Bogen. Ziemlich genau in der Mitte dieses Bogens liegt die Datsche. Ab da heißt die linke Schleife laut Karte Wirtschaftsweg . Die rechte nennt sich Privatzuwegung . Die Privatzuwegung ist im Navo, der Wirtschaftsweg nicht. Der Phobos ist also über den Wirtschaftsweg gekommen und da gibt es offenbar keine Schranke. Egal, vergiss es. Lienecke rief gerade an, die sind mit der Hütte durch. Nichts.«
    »Hätte mich auch gewundert.«
    »Wir stehen nicht besonders gut da.«
    »Das stimmt.«
    »Ich hab gehört, Brendel will weg. Ausgerechnet jetzt.«
    »Nur für einen Tag. Er muss Bonn berichten. Die haben ihn zum Rapport bestellt, da kann er nichts machen.«
    Frankenstein sah skeptisch aus. »Hoffmann hätte einen guten Schily abgegeben. Perfekte Geheimniskrämerei. Seine Kollegen aus Wandlitz wollten mir bis zum Schluss nicht glauben, dass der kein Gärtner war und nicht Emil hieß.«
    »Vielleicht war er ja tatsächlich Stasichef und hieß auch wirklich Emil«, sagte Wegener. »In diesem Land ist alles möglich. Das ist doch das Schöne bei uns: Es wird nie langweilig, die Dinge nehmen immer eine noch unerwartetere Wendung.«
    »Apropos unerwartete Wendung, hast du dir schon das Explosionsloch angeguckt? Die müssen dicke Gasleitungen haben, im Prozzo.«
    »Wollte gleich mal kurz hin.«
    Frankenstein ging zur Tür. »Ich würd dich gern noch was fragen.«
    »Du fragst mich doch sonst auch nicht, ob du mich was fragen kannst.«
    Frankenstein versuchte mit einer Hand,

Weitere Kostenlose Bücher