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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Festnetz, Zweithandy, Dienstanschluss, alles, was es gibt, aber ohne die Richterscheiße, das reichen wir notfalls nach. Wenn die Probleme machen, komm ihnen mit dem Kanzleramt. Was? Nein, heute noch.«
    Wegener spürte sein Minsk in der Hosentasche vibrieren. Er zog es so weit heraus, dass er das Display sehen konnte, Stummschaltung, Karolina Büro ruft an , dann schob er es so tief wie möglich zurück und schloss die Augen. Der Vibrationsalarm kitzelte ihn an der Innenseite des linken Oberschenkels.
    »Das weiß ich auch. Nein, ist mir egal. Da sitzt ein Typ, der muss nur irgendwelche Nummern eingeben, dann kriegt er eine Datei, die druckt er aus und faxt sie dir, fertig.«
    Karolina, du bringst meine Eier zum Tanzen, dachte Wegener, früher haben deine Hände gereicht, deine geschickten, kleinen, schönen Hände mit den eleganten Kratznägeln, heute brauchst du ein Minsk, eine Tastenkombination und ein paar Funkmasten, aber du schaffst es immer noch.
    »Das ist eine Sache von fünf Minuten. Und ich will, dass dieser Typ nach der Mittagspause damit anfängt.«
    Du weißt nichts davon, aber wir haben gerade Telefonsex, dachte Wegener, eigentlich musst du mit Doktor Nu längst über irgendeinen Transitvertrags-Notfallplanscheißdreck reden, deine Gedanken schweben mitten in einem usbekischen Erdgasvorkommen, drehen sich um sich selbst, sind überall, nur nicht bei mir, aber dein Anruf zuckt nur drei Zentimeter von meinem Schwanz entfernt, du hast dein Ohr direkt an meinen Hoden, während ich auf schwedischem Leder durch Berlin schleiche, und wenn ich die grüne Taste drücken würde, könntest du hören, wie sie klopfen, wie du sie anspornst, wie du sie wachküsst, wie sie dich und deinen Mund vermisst haben, dein stures Karolinakribbeln in meinem Schritt, das fehlt uns so sehr, das können wir gar nicht beschreiben.
    »Ja. Werner Blühdorn. Doktor. Grüner We g 55, Heidelberg. Weiß ich nicht. Die letzten zwölf Monate. Und bitte schon mal auf interdeutsche Verbindungen in die DDR durchsehen. Ja, an mich. Wegen Greentec ruf ich heut Abend an.«
    Wegener zog den Mantel über seinen Schoß, damit Kayser die Erektion nicht sah. Das Vibrieren hatte aufgehört. Von draußen knatterten Phobosmotoren ihre Pommesabgase in die Volvo-Lüftung, Voss hatte jetzt freie Bahn und wurde schneller, der Wagen schmiegte sich in die Kurven, niemand sprach.
    Kleines, früher war es irgendwie persönlicher, dachte Wegener.
    *
    »Nicht zu glauben.« Kayser grinste.
    »Was genau?«
    »Es gibt ja auch eine Sonne in diesem Staat.«
    Wegener sah aus dem Fenster. Flache Weidelandschaft mit Hecken, Büschen, Zäunen. Vereinzelte Obstbaumwiesen, reglose Pferdescherenschnitte. Im Hintergrund ein Spielzeugtraktor, der über einen penibel gekämmten Acker kroch. Dazu wolkenloser, eisblauer Himmel, ein helles Licht, das Grün und Braun und Hellgelb möglich machte. Kein Grau, dachte Wegener, das ist selten.
    »Sie sollten mehr frische Farben tragen«, sagte Kayser fröhlich. »Nicht immer diesen dunklen Cord.«
    »Ja, Schatz«, sagte Wegener, »vielleicht schickst du mir mal was Elegantes rüber.«
    »Größen her, und ich mach es.«
    »33er Bundweite, Schuhgröß e 45. Gut zu merken, sehr deutsche Zahlen.«
    Kayser grunzte zustimmend.
    Die Straße krümmte sich zu einer leichten Linkskurve, durchquerte ein paar hundert Meter lichten Nadelwald voller Farne und moosiger Felsbrocken. Jetzt erfassten die Sonnenstrahlen den Volvo, brachen durch die Windschutzscheibe, ließen das abgenutzte, rote Leder leuchten und bescherten Wegener plötzlich eine unverhofft gute Laune, Ausflugsstimmung, die schwachsinnige Lust, laut zu singen.
    Die Asphaltdecke endete und ging in einen unbefestigten Platz voller Schlaglöcher über, Voss wurde langsamer, rollte geradeaus auf ein geöffnetes Eisentor zu, von dem sich zu beiden Seiten angefressene Wellblechwände in die Landschaft stemmten.
    »Wow«, sagte Kayser und beugte sich vor.
    Hinter der Wellblechsperre verdunkelte eine Skyline aus gestapelten Trabantleichen den gut gelaunten Himmel, eine nirgendwoendende, grob gemauerte Phenoplastfestung, die sich in kantigen Wellen hob und senkte, die sich bis zum Horizont zu erstrecken schien und ihre Besucher aus Tausenden blinder Scheinwerferaugen anstarrte. Die mobile DDR meiner ersten Lebenshälfte, dachte Wegener, abgeladen, für immer vergessen, irgendwo steht vielleicht auch unserer, der heiß geliebte Hannibal, vermutlich mittendrin.
    Voss fuhr durch das Tor und war

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