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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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ich.«
    »Fahren Sie auf der U85 in Richtung Blankenfelde, lassen Sie das Irrenhaus rechts liegen, dann kommt nach zwei Kilometern der VEB Behindertenwerkstätten Horst Sindermann, ein brauner Flachbau.«
    »Ok.«
    »Direkt dahinter geht eine kleine Straße rechts ab, da steht ein Schild Universum Alt-Auto-Verwertung .«
    »Gut.«
    »Folgen Sie der Straße, fahren Sie auf das Gelände, einfach immer geradeaus, irgendwann kommen Sie automatisch zur Schrottpresse. Dort warte ich.«
    Blühdorn hatte Kayser eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und schulterte seine Reisetasche.
    »Ich komme nicht allein«, sagte Wegener. »Ein Beamter aus Westdeutschland begleitet mich.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Absolut.«
    Kayser verstaute die Karte in seinem Notizbuch.
    »Sehr gut. Der kommt wie gerufen.«
    »In einer Stunde also«, sagte Wegener und legte auf.
    Blühdorn grüßte mit seiner haarigen Pranke in die Runde, dann walzte er gebeugt aus dem Raum.
    »Da stapft er hin«, sagte Kayser, »zurück in sein Hamsterrad der Statussymbole, noch ein paar Runden strampeln.«

19
    V oss steuerte den Volvo stumm durch das Nachmittagsverkehrschaos der Friedrichstraße. Phobosse und Wartburgs schoben sich im Schritttempo voran, Fritteusengeruch aus Hunderten knatternder Ölmotoren waberte durch die verstopfte Häuserschlucht, fettiger Smog, der Ostberlin zur größten und baufälligsten Pommesbude der Sozialistischen Union machte. Hinter den Windschutzscheiben harte Alltagsgesichter, ausgeleerte Köpfe, eine Armee von Verkehrsuntoten, die schalteten, Gas gaben, bremsten. Wegener kam sich auf der ledernen Rückbank des Volvos vor wie ein Mitglied des Politbüros, links neben ihm Politbüromitglied Kayser, hinter dem Steuer Politbüromitgliedschauffeur Voss, fehlten nur noch die Motorradeskorte und zwei Hammer-und-Zirkel-Fahnen an den Kotflügeln. Durch die getönten Scheiben sahen die rissigen Gründerzeitfassaden mit ihren offenen Putzwunden noch düsterer aus. So blickt also die Parteiführung auf unser Land, dachte Wegener, durch dunkles Glas, das alles noch schlimmer macht, als es ohnehin schon ist. Rosarot müssten die Scheiben der Bonzenkarren eigentlich sein, mit einem hübschen Zerreffekt, der die Mundwinkel der Passanten merklich anhebt.
    »Es bringt nichts, sich Vorwürfe zu machen«, sagte Kayser. »Das Kind ist in den Brunnen gefallen und ersoffen. Konnte niemand von uns ahnen, dass die Süße seine Tochter ist, selbst Blühdorn wusste anscheinend von nichts. Und die beiden waren zur Zeit der Geburt ja offenbar noch beste Freunde.«
    »Ich würde sagen, das Kind ist in den Brunnen gefallen und abgetaucht«, sagte Wegener.
    »Sehen wir es mal so, wenn die Schlampe Wischinsky Hoffmanns Akte rausgerückt hätte, wäre das nicht passiert. Die kann Ihnen auf Knopfdruck die Dioptrienwerte von Hoffmanns Schwippschwager besorgen, wenn sie will. Aber sie tut es nicht.«
    Wegener zuckte mit den Schultern. »Ich hör schon Kallweit toben. Erst kriegen wir nichts raus, dann brauchen wir auch noch Tage, um überhaupt mal die grundlegenden Familienverhältnisse des Opfers zu klären. Damit traut er sich nicht zum ZK, liegt nachts wach, kriegt ein Magengeschwür oder einen halben Herzinfarkt und wir sind schuld.«
    »Wenn wir Glück haben, kriegt er einen ganzen. Und was erwartet uns jetzt in Pankow?«
    »Auf jeden Fall ein Wichtigtuer. Vielleicht ein Wichtigtuer, der was weiß.«
    »Das wär ja mein innerer Reichsparteitag mit Fackelzug und Führerrede, wenn hier mal irgendwer irgendwas wüsste. Warum wir dafür in die Walachei fahren müssen, versteh ich trotzdem nicht.«
    »Wo trifft denn der BND seine anonymen Informanten? Mitten auf dem Marienplatz?«
    Kayser drückte mehrere Tasten an seinem Handy und steckte sich den Knopf der Freisprecheinrichtung ins Ohr. »Christian hier. Ja. Ich warte.«
    Voss fuhr hupend an der röchelnden Autoschlange vorbei, die sich von der Rosneft-Tankstelle bis in die Jägerstraße bog. Am Straßenrand klebte ein Vietnamese Plakate, DER OSTBLOCKBUSTER IST DA: Sahra Wagenknecht und Peter Sodann in RED REVENG E – ab 28.10. nur im Kino! Irgendwer hupte zurück. An der vorderen Zapfsäule stritten sich zwei Bierbäuche, einer mit Kanister in der Hand, der andere in Sandalen, Rapsol 3 2 Pfennig der Liter, Voss kratzte sich im Schritt. Immerhin roch er heute nicht. Wegener machte die Augen zu, er konnte das alles nicht mehr sehen.
    »Ja, Christian. Jens muss mir ne komplette Verbindungsliste besorgen, Handy,

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