Planet 86 - Abnett, D: Planet 86 - Embedded
folgte. Der Ort wirkte unscheinbar, schmutzig und leblos, nicht so sehr wie eine Stadt, sondern eher wie Reihen hässlicher Fertigbauten, die jemand auf einer Müllhalde abgeladen hatte und die jetzt darauf warteten, auf Tiefladern hinausgeschafft und zu dauerhaften Wohnungen zu werden. Alles war verriegelt und verrammelt, abgesperrt unter Maschendraht, übermalt mit Dreck, gefleckt vom Sonnenlicht. Den letzten Rest hatten ihnen die detaillierten Graffiti gegeben, welche die Gelangweilten, die Faulen, die Habenichtse, die Jugendlichen, die arbeitslosen Migranten, die kontraktlosen Bergbauarbeiter da draufgekritzelt hatten. Östlich der Stadt lagen die weiten Narben des Tagebaus und der Steinbrüche, Mondlandschaften aus stufenförmig ansteigenden Gruben, wie negative Räume, welche die Spitzen von Stufenpyramiden in den weichen Ton gedrückt hatten. Jede Grube war so groß, dass die ganze Stadt hineingepasst hätte. Abraum und Schutt hatten neue Berge gebildet. Verrostete, orangefarbene bullige Bagger, Kipplaster und Förderbänder erweckten den Eindruck eines Sandkastens, den die Kinder aus Furcht vor Regen verlassen hatten. Die Steinbrüche waren nackter, an den Seiten bis auf den bleichen, zerklüfteten Fels abgeschabt, wie exponierte Knochen.
Nördlich der Stadt lagen die Fabriken für die vorgefertigten Betonteile, die Vulkanisierung sowie die völlig funktional hässlichen Brennöfen zur Verarbeitung von Nebenprodukten. Gleich neben diesen Ungeheuern breiteten sich die Ladedocks und die gewaltigen Verladestationen aus, wo bullige Gigaliner für Schuttgut seit fast zwei Jahren nicht mehr den Highway an der Küste entlangfuhren, sondern unter schmutziger Persenning schlummerten.
»Entzückend«, meinte Falk.
»Freu mich drauf, die Sommerferien hier zu verbringen«, sagte Lukes.
Sie erreichten den Stadtrand und folgten der Straße durch drei oder mehr Tore mit Stacheldraht, die weit offen standen und anscheinend keinem weiteren Zweck als einem dekorativen dienten. Benzinfässer, beschwert mit Beton, zogen sich an der Straße entlang, zusammen mit weiteren Überresten wie Zaunpfählen und etlichen verbeulten Schildern; ein improvisierter Slalomkurs, der alles, was kleiner war als ein MBT, an einem raschen Vorankommen hinderte. Im Schneckentempo steuerte der Konvoi um die Hindernisse herum.
»Wo sind sie alle?«, fragte Jeanot, der hinausspähte und Bilder mit einem Tablet machte.
»Ausgangssperre«, erwiderte Selton knapp, vorwiegend auf ihre Displays konzentriert.
»Es ist Vormittag«, sagte die grüne Wandersfrau.
»Es besteht strikte Ausgangssperre«, meinte Falk.
Etwas auf Seltons Display machte ping . Eine Sekunde lang verspürte Falk instinktiv eine Anspannung.
»Kontaktsignal«, sagte Selton und tippte etwas auf einer Tastatur.
Verdammte Scheiße, ermahnte sich Falk. Du hast es tatsächlich geglaubt.
Die Patrouille kam.
Die Mitglieder der Patrouille fuhren eigene Fargos, und Mittelpunkt ihrer Kolonne war ein fetter, gepanzerter Longpig Gunbus. Die Fahrzeuge waren ebenso wie die SOMD-Soldaten darin von einer Dreckkruste überzogen. Ihre Ausrüstung war etwas persönlicher und nicht so piekfein wie bei Selton und ihrer Einheit, die aussahen wie frisch aus dem Ei gepellt. Die Fahrzeuge kamen, mit laufenden Motoren, in einem kleinen Fächer hinter dem polternden Fahrzeug mit Selbstantrieb zum Stehen, wie Spielkarten, die jemand auf den Tisch geworfen hatte. Soldaten mit Klopfern und RPG-Werfern stiegen ab und versperrten die Durchfahrt, Schäfte fest an die Schultern gedrückt, Wangen an den oberen Schienen, Augen an den Zielfernrohren, Finger am Abzug, in Bereitschaft. Der Gunbus, etwa doppelt so groß wie ein Fargo, erinnerte Falk an eine Kreatur aus einem Bestiarium, an die fabelhafte Beschreibung eines Reisenden von einem Rhinozeros oder einem Warzenschwein. Er war breit und fett, lethargisch und schlecht gelaunt, hockte schwer auf den breiten Ketten, und um die Radkästen hingen gepanzerte Anti-Raketen-Schürzen. Die M190 Howitzer wies schräg zum Himmel wie das Horn eines Einhorns, vulgär groß, und wirkte lächerlich wegen der massigen, geriffelten, mit Lüftungsschlitzen versehenen Mündungsummantelung am Ende des Laufs. Das Ding verlieh der ganzen Maschine den unangenehmen Hauch von etwas Fetischhaftem.
Kommandant der Kolonne war ein SOMD-Major namens LaRue. Er und Selton plauderten ein Weilchen, dann schlenderte er zu den Medienleuten hinüber, um sie zu begrüßen. Auf Falk wirkte er zu
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