Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
südamerikanischen Ländern –, und mit einiger Verspätung dann auch in Europa: in der Bundesrepublik Deutschland 1948, in der DDR und Großbritannien 1969 und in Frankreich 1981.
Doch die meisten amerikanischen Bundesstaaten behielten die Todesstrafe weiter bei, und zwar nicht nur für Mord und Hochverrat. 1859 wurde Starling Carlton in South Carolina zum Tode verurteilt, weil er einem Sklaven die Flucht ermöglicht hatte. Brandstiftung, Einbruch, Geldfälschung, die Verheimlichung der Geburt oder des Todes eines Kindes, Spionage, Pferdediebstahl, Piraterie, Zugüberfälle, nicht zu vergessen gleichgeschlechtlicher Sex, Sklavenaufstände und Hexerei gehörten alle mal zu den Delikten, die zur Hinrichtung führen konnten, bis sie nach und nach von der Liste gestrichen wurden. Heute kann die Todesstrafe nur noch bei besonders grausamen Morden verhängt werden.
Allerdings geht trotz aller Stammtisch-Sprüche die Anzahl der Todesurteile kontinuierlich zurück. Denn ihre Vollstreckung ist teuer. Aufgrund der vielen Instanzen, die ein Todesurteil durchlaufen muss, bevor es vollstreckt werden kann, kostet es den Staat dreimal mehr als das Urteil »lebenslänglich«. Heutzutage überlegt es sich ein Staatsanwalt zweimal, bevor er die Todesstrafe fordert. Dazu kommt eine gewisse Ernüchterung: Zahlreiche Todesurteile der letzten Jahre und Jahrzehnte werden mit Hilfe von DNA -Tests noch einmal untersucht und immer mehr der zum Tode Verurteilten tatsächlich freigesprochen.
Vor allem aber hat ein Urteil des Obersten Gerichtshofes 1976 zu einer Änderung geführt. Es war eine typische Entscheidung, die zeigt, wie das amerikanische System funktioniert: Das Urteil hatte nichts mit dem theoretischen Für und Wider im Streit um die Todesstrafe zu tun – diese große moralische und politische Grundsatzentscheidung ist Sache der Bundesstaaten. Es ging allein um eine technische Frage: Um die Art, wie die Todesstrafe vor Gericht verhandelt wird.
Bis dahin wurde ein Mörder angeklagt, und der Staatsanwalt forderte gleich mit der Anklage die Todesstrafe. Die Entscheidung der Jury, ob der Angeklagte nun tatsächlich ein Mörder war oder nicht, war gleichzeitig die Entscheidung für oder wider die Todesstrafe.
Der Oberste Gerichtshof hat das Vorgehen modifiziert: Jetzt entscheidet eine erste Jury über »schuldig« oder »nicht schuldig«, eine zweite über das Strafmaß.
Das macht einen großen Unterschied. Es ist leicht, bei aufgeheizten politischen Versammlungen die Todesstrafe als große amerikanische Institution der Gerechtigkeit zu preisen; es ist schwieriger, einem Menschen gegenüberzusitzen, ihm in die Augen zu schauen und ihn zum Tode zu verurteilen. Die Folge: Heute werden dreimal weniger Todesurteile ausgesprochen als vor 20 Jahren.
Während der andauernde Streit über das Für und Wider der Todesstrafe eher politischer Natur ist, ist unsere Beziehung zu Waffen eine viel persönlichere.
Wir lieben sie einfach. Und zwar alle: Revolver, Pistolen, Jagdgewehre, Maschinengewehre. Wir schießen gern mit ihnen, wir jagen gern mit ihnen, wir romantisieren sie in Filmen, wir können uns unsere Vergangenheit ohne Waffen nicht vorstellen: Wir wären heute immer noch eine britische Kolonie! Jeder vierte Erwachsene besitzt mindestens ein Gewehr oder eine Pistole.
Ab und zu fällt uns schon auf, dass sich einige Typen über unsere Waffenkultur aufregen, und zwar nicht nur Menschen aus anderen Teilen der Welt – auch unsere Nachbarn tun das gelegentlich.
Es gibt 190 Millionen Feuerwaffen in den USA , und es sterben jedes Jahr rund 31.000 Menschen durch sie. Davon sind über die Hälfte Selbstmorde. Solange man nicht Selbstmord begeht, stirbt man in den USA eher durch Tabakkonsum, Fettleibigkeit, Alkoholmissbrauch, einen Autounfall, eine Vergiftung, eine Geschlechtskrankheit oder Drogenmissbrauch (in der Reihenfolge) als durch eine Kugel – von den häufigsten Ursachen Krebs und ähnlichen Krankheiten einmal ganz abgesehen.
Dennoch, das muss nicht sein, und die Diskussion um strengere Waffengesetze entflammt deshalb immer wieder neu. Das war schon immer so. Laut Adam Winkler, Juraprofessor an der University of California, wurde bereits kurz nach der Revolution 1776 das Waffenrecht eingeschränkt: Man musste sich registrieren und von den Behörden überprüfen lassen sowie – ganz wichtig – einen Eid auf die Revolution leisten.
Das erste Mal, dass strengere Waffengesetze vom Staat als verfassungswidrig abgelehnt wurden, war
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