Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
wollte niemand das Land der Indianer klauen. Nein, »klauen« wäre das falsche Wort. Die Weißen wollten nur, dass die Indianer freiwillig weniger Land in Anspruch nähmen und die Gebiete, die sie nicht mehr brauchten, an sie verkauften. Denn die meisten Stämme waren Jäger, und zur Jagd braucht man viel mehr Land als zum Ackerbau: Das Wild muss sich über große Strecken frei bewegen können. Andererseits – wenn die Indianer Farmer wären, würden sie mit viel weniger Land zufrieden sein.
George Washington, der erste Präsident der USA , bestand darauf, dass die Verträge mit den Indianern respektiert werden, dass die Rechtsprechung in Bezug auf sie unparteiisch bleibt, dass diejenigen, die die Rechte der Indianer verletzen, bestraft werden, und dass das Land, das ihnen gehört, tatsächlich das ihre sei.
Er fand allerdings auch, dass die Amerikaner ihnen ruhig so viel Land abkaufen sollten wie möglich.
Washington hielt auch Integration für eine gute Idee und stand damit nicht allein. Thomas Jefferson schrieb 1803, dass die Amerikaner irgendwann zwingend das Land der Indianer brauchen würden und es ihnen also abkaufen müssten. Seine Lösung: eine angeleitete Umstellung auf Landwirtschaft. »Indem wir sie hinführen zur Landwirtschaft, zur Herstellung von Waren und zur Zivilisation, indem wir ihre Siedlungen mit unseren Siedlungen zusammenbringen und indem wir sie darauf vorbereiten, sich mit der Zeit an den Vorteilen unserer Republik zu beteiligen, bin ich der Überzeugung, dass wir in ihrem besten Interesse handeln.«
Der ehrgeizigste Versuch, die Indianer zu integrieren und gleichzeitig an ihr Land zu kommen, ohne offen zugeben zu müssen, dass wir es ihnen klauten, war der »Dawes Act«. Dieses Gesetz teilte ab 1887 den gesamten Grundbesitz der Indianer in einzelne Parzellen auf, eine Parzelle für jeden. Bis dahin gehörte das Land ja dem Stamm insgesamt. Nun sollten sie die Segnung des Privatbesitzes kennenlernen: Jeder von ihnen hatte ab sofort die Möglichkeit, mit seinem eigenen Stück Land zu tun und zu lassen, was er wollte. Damit stand der einzelne Indianer auf der gleichen Stufe wie der einzelne Weiße, der entweder Land besaß oder eben nicht.
Ein, zwei kleine Haken gab es jedoch schon dabei. Nach Zuteilung der Parzellen blieb irgendwie eine Menge Land übrig. Die Parzellen waren ja auch als Farmland gedacht, nicht als riesige Jagdgebiete. Die übrig gebliebenen Parzellen wurden an weiße Siedler verkauft. Dazu kam, dass die Indianer nun als ordentliche Bürger nach einem gewissen Übergangszeitraum auf ihren Landbesitz Steuern entrichten sollten. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich verstehe das Prinzip der Steuererhebung heute noch nicht recht, und ich vermute, die meisten Indianer verstanden das Prinzip noch weniger. Als sie nicht zahlen konnten, verloren sie auch noch ihre Parzelle.
Und das waren nur die legalen Tricks. Schon vor der Verabschiedung des »Dawes Acts« waren die verschiedenen Stellen innerhalb der Regierung, die für die Angelegenheiten der Indianer zuständig waren, durch und durch korrupt – jeder sah hier seine Chance, sich zu bedienen –, und mit dem »Dawes Act« wurden sie womöglich noch korrupter. Durch das Gesetz verkleinerten sich die Stammesgebiete der Indianer zwischen 1887 und 1934 heimlich, still und leise von 560.000 auf 190.000 Quadratkilometer.
Heute ist es für uns selbstverständlich, dass die Indianer die Europäisierung strikt ablehnten. Warum sollten sie ihre Identität und womöglich ihre Souveränität als autarke »Nations« (denn als solche sahen sie sich und viele tun es noch heute) freiwillig aufgeben, nur weil irgendwelche hergelaufenen Weißen es von ihnen verlangten? Aber nicht alle waren überraschenderweise der neuen Idee gegenüber abgeneigt.
Die so genannten »Five Civilized Tribes« beispielsweise waren fünf (»zivilisierte«) Stämme im Südwesten, die allesamt nichts gegen die Europäisierung einzuwenden hatten. Im Gegenteil, die Cherokee, Chickasaw, Choctaw, Creek und die Seminolen begannen zum Teil schon im späten 18. Jahrhundert, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen.
Die meisten Bilder, die man von Indianern kennt, folgen den romantischen Vorlagen des Fotografen Edward S. Curtis und des Malers George Catlin aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als man das Ende der Stämme schon kommen sah: stolze, starke, grimmig dreinblickende Krieger mit bemalten Gesichtern, Lanzen in der Hand, Federschmuck auf dem
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