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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Vorgaben des Papstes beeinflussen lassen könnte. In einer Rede vor protestantischen Pastoren versicherte er: »Ich glaube an ein Amerika, wo die Trennung zwischen Kirche und Staat absolut ist«, und er gab ein spektakuläres Versprechen: »Egal, welche Frage auf mich als Präsidenten zukommt, ob Familienplanung, Scheidung, Zensur, Glücksspiel oder ein anderes Thema, ich werde meine Entscheidung im Interesse der Nation treffen, unabhängig von jeder religiösen Vorgabe. Keine Macht oder Drohung könnte mich davon abhalten. Doch sollte die Zeit kommen, wenn das Amt des Präsidenten von mir verlangt, entweder mein Gewissen oder das Interesse der Nation zu verraten, dann würde ich mein Amt niederlegen.«
    Auf der anderen Seite gibt es Politiker wie den ebenfalls katholischen Präsidentschaftskandidaten von 2012, Rick Santorum, der, ganz Staatsmann, zum Thema Kennedy-Rede äußerte: »Ich muss kotzen, wenn ich so was höre. Was für ein Land ist es, in dem nur Menschen, die nicht glauben, in der Politik etwas zu sagen haben? Jeder Amerikaner sollte kotzen wollen, wenn die Regierung gläubigen Menschen Vorschriften macht, welche Werte sie haben müssen, wenn sie in die Politik gehen wollen.«
    Für seine drastischen Worte musste er sich später entschuldigen, aber er tat den Wählern auch einen Gefallen damit: Durch den Vergleich von Kennedys eleganter Rede mit Santorums dumpfer Rumpöbelei hatte man gleich einen prima Eindruck davon gewonnen, was für einen Präsidenten Amerika mit ihm bekommen würde – und ließ ihn bald darauf fallen.
    Das Lustige ist, dass das »Establishment«-Verbot im Grunde gar nichts mit Politik zu tun hat, sondern mit Kapitalismus: Die Klausel bedeutet nur, dass der Staat keine Kirche über die andere stellen darf. Religion in Amerika findet ja auf dem freien Markt statt; sie ist ein Produkt genau wie ein Staubsauger, Unterwäsche oder ein »Root Beer-Float« mit zwei Bällchen Vanilleeis und Sahne obendrauf.
    Dem »Establishment«-Verbot ist es zu verdanken, dass über 300 anerkannte Religionen vom Katholizismus bis zum Druidismus in den USA praktiziert werden, in Tausenden von Varianten und über 335.000 einzelnen Gemeinden. Rund 44 Prozent aller Amerikaner wechseln ihre Religion mindestens einmal im Leben: eine Kirche für jede Laune, mehr Glaubensrichtungen als Fernsehkanäle. Das ist in Europa, wo die meisten Länder noch inoffiziell das Modell der Staatskirche pflegen, undenkbar.
    Wenn wir vor dem Müsliregal im Supermarkt stehen, wollen wir eine große Auswahl, und wenn wir vor der Frage des Glaubens stehen, die ja nicht weniger wichtig ist als ein gutes Frühstück, wollen wir sie auch. Und weil der Staat keine bestimmte Religion vorzieht, unterstützt oder schützt, steht es jedem frei, seine eigene Kirche zu gründen, und es steht jeder Kirche frei, mit den anderen so hart zu konkurrieren, wie sie nur kann. Dank des »Establishment«-Verbots ist Religion tatsächlich ein Markt, und zwar ein riesiger, und jeder Prediger ein kleiner Unternehmer, der ein Stück vom Kuchen will, und zwar ein so großes Stück wie möglich.
    Während sich in Deutschland die zwei großen Kirchen auf das Finanzamt verlassen können, das für sie Kirchensteuer eintreibt, sind unsere Kirchen auf sich allein gestellt. Sitzen wir zu Hause vor dem Fernseher, wenn die Kollekte umgeht, kriegt der Pastor von uns keinen Cent. Hat er uns nichts zu bieten – an Erlösung, an Buße, an Witz, an Emotionen, an Einsicht oder eindringlichen Botschaften –, dann muss er sich einen Job bei Walmart suchen wie jeder andere auch. Der Konkurrenzkampf unter unseren Kirchen ist geradezu – teuflisch.
    Allerdings ist es nicht überall so, wie man es aufgrund von Medienberichten über reiche TV -Prediger meinen könnte: Die durchschnittliche Gemeinde ist mit rund 75 Frommen sehr klein, und der durchschnittliche Pfarrer verdient nur 31.000 Dollar im Jahr. Doch für richtig gute Prediger ist die Verdienstskala nach oben offen.
    Etwa 1.300 Kirchen in Amerika haben eine wöchentliche Besucherzahl von über 2.000 Gläubigen – in einem einzigen Gebäude. Eine solche »Megachurch« ist keine Kirche mehr, sondern vielmehr eine überdachte Arena mit anhängigem Unternehmen, und ein typischer Gottesdienst beginnt mit einem Rockkonzert inklusive Lightshow, Trockeneisnebel und Tanzfläche. Genau wie bei einem Konzert sehen die meisten Besucher den Prediger auch nur auf der großen Leinwand.
    Was eine Megakirche ausmacht, ist nicht nur

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