Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
im Kalten Krieg unter dem gläubigen Eisenhower eingeführt.
Was die Gründerväter wirklich glaubten, wissen wir nicht. Sie gingen in die Kirche – das war damals gesellschaftliches Pflichtprogramm. Die meisten von ihnen scheinen aber auch aufrichtig geglaubt zu haben – an was auch immer. Nur ein Einziger von ihnen, der populäre revolutionäre Propagandist Thomas Paine, kritisierte das Christentum öffentlich als Werkzeug der Obrigkeit zur Manipulation des Volkes, als Unsinn und Aberglaube. So schnell wurde ein Star dann noch nie fallen gelassen, und er starb verarmt wenige Jahre später. Kein Wunder, dass andere Politiker mit ihren innersten Gedanken über Gott und den Glauben eher hinter dem Berg hielten.
Doch als wahre Kinder der Aufklärung und Intellektuelle des 18. Jahrhunderts waren mehrere Gründerväter stark vom »Deismus« geprägt. »Deisten« glauben zwar an Gott, haben sich aber innerlich von jeglicher organisierten Form von Religion entfernt. Sie beteten weniger »Jesus« an als eine allgemeine, undefinierbare kosmische Macht.
Der Deismus betrachtet die verschiedenen Religionen einfach als Parteien mit eigenen Interessen. Selbstverständlich hat ein Gott oder mindestens eine höhere Macht die Welt erschaffen, wie auch sonst? Atheismus konnten sie sich damals noch nicht so recht vorstellen. Aber sie hielten es mit Lessing (der vermutlich auch ein halber Deist war) und dessen Ringparabel: Wenn die Christen, die Moslems und Juden die Wahrheit für sich beanspruchen, dann besitzen alle Religionen einen Teil der Wahrheit, mehr aber auch nicht. Ihr Gottesbegriff war reduziert auf das Wesentliche.
Den Einfluss der Deisten sieht man sogar in der von Thomas Jefferson verfassten Unabhängigkeitserklärung: Denn darin schreibt er nicht von »Gott«, sondern vom »Gott der Natur« und vom »Schöpfer«:
»Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unabdingbaren Rechten ausgestattet sind, darunter das Recht auf Leben und Freiheit sowie das Streben nach Glück.«
Der Deismus ist die andere Seite unseres Erbes: Wer heute in Amerika von religiöser Toleranz spricht, aber auch, wer versucht, Wissenschaft und Glaube zu vereinbaren, indem er sich vorstellt, dass die Evolution möglicherweise von einer übergeordneten Macht in die Wege geleitet wurde, steht in der Tradition des Deismus.
Es war übrigens besagter Thomas Jefferson, der die Formulierung »Trennung von Kirche und Staat« erfand, die von uns als Grundpfeiler der Demokratie angesehen wird und von der jeder gute Amerikaner glaubt, dass sie in der Verfassung verankert ist.
Leider ist sie es nicht. Das ist das Problem.
Erst vier Jahre nach der Unterzeichnung der Verfassung formulierte der Kongress in einem Zusatzartikel, das so genannte »Establishment«-Verbot. Diese Klausel wird oft mit der »Trennung von Kirche und Staat« verwechselt, besagt jedoch lediglich, dass der Staat keine Kirche »etablieren«, also dass es in den USA keine Staatskirche geben darf. Seitdem verging kein Tag, ohne dass man darüber stritt, was das zum Teufel bedeutet.
Erst 1833 – über 50 Jahre nach der Staatsgründung – wurden sämtliche Kirchen in allen Bundesstaaten vom Staat getrennt, sodass es keine Staatskirchen mehr gab. Bis dahin hatten die einzelnen Bundesstaaten sogar Kirchensteuer erhoben. Erst in den letzten Jahrzehnten hat man das gemeinsame Gebet in der Schule verboten und Aushänge der Zehn Gebote aus staatlichen Gerichten verbannt. Doch ständig tauchen neue nervige Detailfragen auf, wie: Darf der Staat einer Kirche Steuerfreiheit gewähren? Darf Santa Claus in staatlich finanzierten Kindertagesstätten eigentlich Geschenke verteilen? Ganz zu schweigen von der Frage, woher der Staat überhaupt das Recht nimmt, Weihnachten zum offiziellen Feiertag zu erklären!
Die »Anti-Establishment«-Klausel verbietet allerdings nicht, dass ein Politiker sich von seinem persönlichen Glauben leiten lässt und dies auch lang und breit kundtut. Das bleibt jedem Politiker selbst überlassen – bzw. den Wählern, die mal sehr gläubige Präsidenten wählen und mal nicht, je nach religiösem Wellengang.
Auf der einen Seite hatten wir John F. Kennedy, der bereits vor der Wahl klarmachte, dass er zwar gläubig sei, aber dass sein Glaube im Amt nichts zu suchen habe. Einige religiöse Würdenträger hatten Bedenken geäußert, dass ein katholischer Präsident sich von den
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