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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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die Größe, sondern auch die Professionalität. Sie buhlen miteinander um Gläubige mit der Botschaft, sie seien moderner, spaßiger, interessanter und böten auch mehr Möglichkeiten für persönliches Engagement. Mit ihren Shows und ihrer erstklassigen Rockmusik konkurrieren sie nicht nur mit anderen Kirchen, sondern auch mit Kino, Fernsehen, der PlayStation und dem Internet. Sie nutzen Umfragen, um ihre Werbung und ihre Veranstaltungen zu optimieren. Man sagt, viele »Megachurches« hätten sich das Einzelhandelsprinzip von Walmart abgeguckt: Der Kunde wird als Suchender begriffen. Er sucht etwas, das ihm gefällt, das er braucht, aber von dem er noch nicht weiß, was es ist. »Megachurches« versuchen, ihm das zu bieten: Nicht nur in der Predigt, auch in der Gemeinschaft, mit dem Familienprogramm und ihren Sozialdiensten.
    Eine gute »Megachurch« hat bis zu 250 Vollzeitmitarbeiter. Die Pfarrer sehen sich als CEO s und sind auch genauso reich, zum Teil deswegen, weil sie als Kirche keine Steuer zahlen müssen.
    Die größte »Megachurch« Amerikas ist die »Lakewood Church« in Houston, Texas. Die Kirche bietet mittwochs, freitags und sonntags Gottesdienste für Kinder, Jugendliche, junge Menschen, die gerade die Uni hinter sich haben und denen der »Ernst des Lebens« bevorsteht, Erwachsene. Und das Ganze dann gleich noch mal auf Spanisch. Es werden auch Bibelgruppen angeboten und Bibelcamps sowie Treffs für Menschen mit speziellen Problemen wie einer Sucht oder einem Trauma.
    Der beliebte Prediger von Lakewood, Joel Osteen, predigt ungern über so was wie Sünde, spricht dafür aber umso mehr über Liebe, die Kraft des positiven Denkens und »prosperity theology« – »Wohlstandstheologie«. Das ist der durch und durch amerikanische Glaube, dass Gott den frommen und fleißigen Gläubigen belohnt, und zwar hier auf Erden mit finanziellem Erfolg. Auf den 16.800 Plätzen der »Lakewood Church« sitzen durchschnittlich 43.500 Besucher pro Woche.
    »Prosperity theology« ist für Amerikaner nichts Verwerfliches und auch nichts Neues – schon die Puritaner glaubten, dass Gott gute Menschen belohnt. Allerdings belohnt er natürlich einige mehr als andere …
    Von der ersten religiösen Welle an – das erste »great awakening« genannt – fanden talentierte freiberufliche Prediger reichlich Zuspruch, und sie lernten schnell, in Zelten und in Stadien eine gute Show hinzulegen. Das Fernsehen revolutionierte den Beruf nochmals und machte ihn hundertmal lukrativer, auch für einige weniger charismatische Prediger.
    Wir Amerikaner finden nichts Merkwürdiges daran, einem Prediger im Fernsehen Geld zu schicken. Meine Freunde in Deutschland sind entsetzt, wenn sie das hören, und glauben, es handle sich dabei um schutz- und mittellose alte Damen, die schamlos ausgenutzt wie in Trance den letzten Dollar unter der Matratze hervorkramen. Wir Amerikaner gehen davon aus, dass auch alte Damen nicht dumm sind, sonst wären sie wahrscheinlich nicht so alt geworden, und wenn sie gern stundenlang einem Prediger zuhören, sollten sie auch mal dafür bezahlen, wie für jeden anderen Dienst auch. Und wenn ich ehrlich bin: Wenn ich Geld ausgebe für einen Hamburger, der kaum Nährwert hat, oder für einen groß beworbenen Film, der sich als Flop entpuppt, oder eben für einen Fernsehprediger, der mir hilft, wieder einen gewissen Sinn in meinem harten Leben zu sehen – also dass der Prediger dann dadurch reich wird, das bedauere ich am wenigsten.
    Der wichtigste und zugleich ehrgeizigste Vorreiter in Sachen TV -Predigten war der berüchtigte Oral Roberts.
    Der Sohn eines bettelarmen Wanderpredigers und einer Cherokee-Indianerin verdiente seine Brötchen als Prediger und Glaubensheiler wie sein Vater, aber eher schlecht als recht. 1947 las er zufällig in der Bibel. »Ich wünsche dir in allen Dingen prosperity « stand da: »Prosperity« bedeutet »Wohlstand« oder »Reichtum« (das konnte nur in Amerika passieren: In der deutschen Übersetzung steht anstelle von »prosperity« nur, dass es einem »gut gehen« soll). Es war für ihn eine Erleuchtung. Plötzlich ergab alles einen Sinn – natürlich wünscht uns Gott Wohlstand. Warum sollte Gott wollen, dass es uns dreckig geht?
    Am nächsten Tag, so behauptete er später, kaufte er sich einen Buick.
    Er begann, alles anders zu machen. Mehr Show, mehr Power, mehr Zuversicht. Und: Radio. Bald war er überall bekannt. Er machte Touren, die er Kreuzzüge nannte. Bis in die 1980er wurde

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