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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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suchen seien, meinten sie damit: Wir Amerikaner haben den Bund mit Gott gebrochen.
    Abgesehen von durchgedrehten TV -Predigern kann ich schon verstehen, wie manche meiner Landsleute auf die Idee kommen, dass Gott eine besondere Beziehung zu unserem Land hat. Bis die Vereinigten Staaten zu dem wurden, was sie heute sind, mussten eine Menge sehr seltsamer Zufälle zusammenkommen – so viele, dass man daran zweifeln könnte, dass es Zufälle sind:
    Das Land musste riesengroß sein, nur so konnte eine Supermacht entstehen. Wer hätte gedacht, dass genau so ein Land vor den Augen Europas versteckt bleiben würde, bis die Puritaner es so dringend brauchten? Das Land musste »leer« sein oder mindestens mussten die bisherigen Einwohner zu wenige sein, um sich gegen die Neuankömmlingen behaupten zu können – so war das bei den Israeliten in Kanaan, so war das auch in der Neuen Welt. Auch der rasche Bevölkerungszuwachs verdankte sich einigen glücklichen Zufällen: Wäre es Europa im 19. Jahrhundert nicht so schlecht gegangen, wären die Europäer nicht in Scharen nach Amerika geströmt. Wäre kein Gold in Kalifornien entdeckt worden, wäre es heute noch eine Wüste. Und so weiter und so fort.
    Doch der letzte Beweis, dass Gott auf unserer Seite sein musste, war der Unabhängigkeitskrieg. England war das mächtigste Land der Welt, gegen das sich nicht mal Frankreich behaupten konnte. Wir waren eine Handvoll Kolonien ohne richtige Armee und ohne viel Erfahrung in Sachen Krieg. Eigentlich hatten wir keine Chance. Aber zum Glück war England auf merkwürdige Weise abgelenkt und erklärte den Krieg nicht zur Priorität. Wichtiger waren seine Machtspielchen mit Frankreich, und überhaupt, niemand hatte die Weitsicht zu erkennen, wie wichtig Amerika eines Tages werden würde. Ganz zu schweigen natürlich davon, dass King George III. verrückt war. Fünfzig Jahre früher oder später hätte es anders ausgehen können.
    Das sind eine Menge Zufälle.
    Da kann ich den braven, gläubigen Menschen aus Kansas schon verstehen, wenn er glaubt, Gott selbst habe uns dieses Land geschenkt. Nicht weil wir besonders brav waren, sondern damit wir der ganzen Welt (demokratietechnisch) den Weg weisen können. Mitten im Unabhängigkeitskrieg, 1777, jubelte der Prediger Abraham Ketelas: »Würden die Prinzipien der Kolonien von der ganzen Menschheit angenommen und praktiziert, würden sie ein Tal der Tränen in Gottes eigenes Paradies verwandeln. Die Sache der amerikanischen Revolution ist eine Sache der Wahrheit gegen Irrtum und Falschheit – mit anderen Worten: Es ist eine Sache des Himmels gegen die Hölle.«
    Im imperialistischen 19. Jahrhundert sprach man dann nicht mehr vom »covenant«, dafür umso häufiger vom »Manifest Destiny«. 1839 verfasste der Journalist John L. O’Sullivan eine Reihe von politischen Kommentaren, in denen er verlangte, dass Oregon den Briten und Texas den Mexikanern gefälligst abgenommen werden sollte, damit Amerika sich endlich von Küste zu Küste erstrecken könne. Dies sei das natürliche Schicksal Amerikas, sein »Manifest Destiny«.
    Der Begriff kam zur richtigen Zeit. Mit dem Bau der transkontinentalen Eisenbahn ergriff eine betörende Begeisterung das Land – eine Begeisterung für das Potential, das in der eigenen Größe steckte. Gesagt, getan. Wir holten die Nordwestecke, das »Oregon Territory«, mehr oder weniger friedlich von den Briten, dann Texas von den Mexikanern mit Gewalt. Nun hatten wir beide Küsten und fast alles dazwischen, aber wir waren immer noch nicht satt. Als Kuba um seine Unabhängigkeit von Spanien kämpfte, stand Amerika ihm zur Seite – und nachdem Spanien fort war, marschierten wir ein. Spanien ließ auch andere Kolonien fallen bei seiner übereilten Flucht vom amerikanischen Kontinent, und wir waren da, um die Philippinen, Guam und Puerto Rico einzusammeln. Dann kauften wir gleich noch einen Teil der karibischen Virgin Islands von Dänemark und Alaska von Russland.
    Heute ist »Manifest Destiny« Schnee von gestern, ein böser Traum. Seitdem ist Imperialismus ein Tabu. Nicht aber die ältere Idee dahinter, dass wir Amerikaner der Welt gegenüber eine spezielle Verantwortung haben. Ich verrate Ihnen jetzt mal ein Geheimnis; wir reden sonst nicht drüber, da es etwas arrogant rüberkommen könnte: Noch heute steht die »City on the Hill«-Idee hinter jedem unserer Versuche, Demokratie in der Welt zu etablieren. Der größte Teil unserer Außenpolitik, ob wirtschaftlich,

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