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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Er bekam Kost und Logis, aber keinen Lohn, wurde in den allermiesesten Baracken gehalten sowie nach Lust und Laune ausgepeitscht (wie seine schwarzen Brüder) und durfte vom Arbeitgeber jederzeit weiterveräußert werden. An ein Gericht wenden konnte er sich meist nicht – auf seine Rechte hatte er mit dem Vertrag ja verzichtet.
    Entlaufene »indentured servants« wurden so hart bestraft, als ob sie ihren Käufern etwas von ihrem Besitz geklaut hätten. Hatten sie ja auch, sich selbst. Ihnen wurden die Ohren abgeschnitten, sie wurden gebrandmarkt oder mussten Ketten tragen. Bis es dazu kam, waren sie aber wahrscheinlich schon abgehärtet: Die körperliche Züchtigung der »indentured servants« war irgendwann so weit verbreitet, dass sogar der Staat eingreifen musste. In Virginia verbot man, einen verstorbenen »indentured servant« privat und auf die Schnelle zu beerdigen: Der Staat wollte sich den Leichnam erst mal angucken, weil automatisch der Verdacht bestand, dass der Herr seine Arbeitskraft zu Tode gefoltert hatte.
    Rund 25 Prozent der weißen Sklaven überlebten nicht einmal das erste Jahr.
    Hielten sie länger durch, hat es sich allerdings gelohnt. Zumindest in vielen Fällen: Hatte ein »indentured servant« seine Zeit überlebt, bekam er neben seiner Freiheit in der Regel ein bisschen Taschengeld und, je nach Vertrag, oft auch Land. Manchmal bis zu 20 Hektar.
    Sir Henry Moore, königlicher Gouverneur von New York, beschrieb 1767 den Vorgang – vielleicht doch etwas beschönigend – folgendermaßen: »… für die ersten drei oder vier Jahre führen sie elende Leben in tiefster Armut. All dies wird aber mit Geduld und mit größter Heiterkeit ertragen, denn die Genugtuung, eines Tages selber Land zu besitzen, lässt jede Schwierigkeit harmlos erscheinen; deshalb wählen sie diese Art zu leben, anstatt zu Hause zu bleiben bei dem bequemen und angenehmen Leben in dem Handwerk und Beruf, in dem sie ausgebildet wurden.«
    Heute weiß das kaum einer mehr, aber zu Kolonialzeiten konnten sogar Schwarze auf diese Weise an Land kommen. Im frühen 17. Jahrhundert, bevor die Sklaverei so richtig in die Gänge kam, brachte ein holländisches Schiff eine Ladung afrikanischer »indentured servants« in die Chesapeake Bay und verkaufte sie als Arbeitskräfte auf Zeit in den Tabakfeldern. Wenn sie ihre Zeit abgearbeitet hatten, waren sie, genau wie die Weißen, wieder frei. Einige von ihnen erwarben danach selbst Land und wurden respektierte Farmer mit eigenen Sklaven. Der Schwarze Anthony Johnson zum Beispiel besaß eine 100 Hektar große Tabakplantage in Virginia, die er zum Teil von Sklaven, darunter vermutlich auch »indentured servants«, bewirtschaften ließ. Wir wissen von ihm, weil er erfolgreich sein Recht vor Gericht durchsetzen konnte, als einer seiner Sklaven einmal versucht hatte, abzuhauen …
    Na gut – das mit dem Land war dann doch nicht so leicht, wie man sich das jetzt vielleicht vorstellt. Erstens kam nicht jeder »indentured servant« automatisch an Land. Das hing von der jeweiligen Kolonie ab, und die Bestimmungen änderten sich auch mit der Zeit und von Ort zu Ort. In Pennsylvania wurden »indentured servants« zum Beispiel um 1700 herum noch mit zwei Anzügen, einer Axt und zwei Spitzhacken abgespeist. In Virginia bekamen sie drei Pfund und 10 Shilling. Aber immerhin, man konnte Land kaufen – und billig sogar, je weiter man nach Westen wanderte. Man setzte einfach seinen Fuß irgendwohin und sagte: »Das Land gehört jetzt mir!« Eine Weile funktionierte das.
    Jim Goad schätzt in seinem Buch The Redneck Manifesto , dass nur ein »indentured servant« von zehn es am Ende schaffte, auf irgendeine Weise, durch Landerwerb oder sonst wie, in die Mittelklasse aufzusteigen. Die anderen sind zu den Nachbarn der Hatfields und McCoys geworden.
    Da stellt sich natürlich mit gutem Recht die Frage: Warum blieben sie dann hier, und warum kamen immer mehr von ihnen?

12
Wir sind Träumer
    W arnungen vor der amerikanischen »Falle« gab es früh.
    1750 wanderte der deutsche Organist und Schulleiter Gottlieb Mittelberger nach Amerika aus – und kehrte umgehend nach Hause zurück. Als Allererstes verfasste er dann eine saftige Abrechnung mit dem Titel Reise nach Pennsylvanien .
    Es fing schon auf dem Schiff an: Die Verhältnisse dort waren unter aller Kanone. Gestank, Gekotze, Seekrankheiten »aller Art«, Fieber, Durchfall, Kopfschmerzen, Verstopfung, Furunkel, Skorbut, Mundfäulnis und Schlimmeres. Das

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