Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Kugel traf ihn so nah an seinem Herzen, dass man sie nie entfernen konnte. Bis an sein Lebensende litt er unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Dickinson aber war tot.
So regelte man die Dinge damals im Süden.
Wir verehren die Helden des Nordostens, die nimmermüden Intellektuellen, die honorigen Staatsmänner, die zackigen »Captains of Industry«. Aber ganz ehrlich, mit dem »southern gentleman« kann keiner von ihnen mithalten. Der Süden, das war noch eine Welt, in der ein Mann tapfer und schneidig war, eine Frau hinreißend raffiniert und ein Haussklave ein bisschen simpel, aber immer fröhlich. Eine Welt, die großartige, unbarmherzige, bittersüße Literatur hervorgebracht hat, von Margaret Mitchell bis Mark Twain.
Es war eine betörende, hochstilisierte, mit sich selbst zufriedene Welt, und sogar der Norden sehnt sich in schwachen Momenten heute noch nach dieser einzigartigen Ästhetik, die nur auf dem Rücken der Sklaverei gepflegt werden konnte.
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Wir sind schlechte Verlierer
A ls 1994 in Südafrika die Apartheidzu Ende ging, geschah etwas lange Erwartetes: Die Schwarzen, die in der Mehrzahl waren, benutzten flugs ihr neu erworbenes Wahlrecht, um Schwarze in die Regierung zu schicken, und Nelson Mandela wurde mit 63 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt.
Eigentlich logisch.
Als ich aber nachschlug, wie schnell in Amerika nach der Befreiung der Sklaven die ersten schwarzen Politiker auftauchten, stieß ich auf Robert Clayton Henry und Edward William Brooke III, die als die »ersten schwarzen Politiker der modernen Zeit« gefeiert werden – Henry als Bürgermeister von Springfield, Ohio, Brooke als Senator in Massachusetts, beide im Jahr 1966.
Moment mal: 1966? Ging der Bürgerkrieg nicht schon hundert Jahre früher zu Ende?
Ich forschte ein bisschen weiter. Tatsächlich: Direkt nach dem Bürgerkrieg schafften es über 20 Schwarze in den Kongress und viele weitere in regionale Ämter, fast alle zwischen 1870 und 1890. Dann hörte das jedoch schlagartig auf und setzte sich erst 1966 fort.
Da stimmt doch was nicht.
Was kam zuerst? Der Rassismus oder die Sklaverei?
Manche Historiker glauben, dass es Rassismus gegenüber Schwarzen, wie wir ihn heute kennen, in den Kolonien gar nicht gab – selbst, als man dort schon Sklaven hatte. Das hört sich vielleicht merkwürdig an, denn wie kann man einen anderen Menschen versklaven, ohne Rassist zu sein? Kein Problem: Man stellt ganz rational die Ökonomie über die Ethik (eine Sache, die heute natürlich nicht mehr vorkommt …). Zu Kolonialzeiten jedenfalls gab es, wie schon erwähnt, auch freie Schwarze, die zum Teil selbst Sklaven hielten. Zudem wurden »indentured servants« allgemein nicht besser behandelt als Sklaven. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass man in der Anfangszeit schwarze Sklaven nicht anders einschätzte als weiße »indentured servants« – arme Schlucker alle beide, die nichts zu melden hatten.
Gut möglich, dass der Rassismus erst als Reaktion auf die Forderung nach Abschaffung der Sklaverei entstand. Als im frühen 19. Jahrhundert der öffentliche Druck dahingehend immer stärker wurde, als man den Kongress mit Petitionen regelrecht bombardierte, mussten diejenigen, deren wirtschaftliche Existenz von der Sklaverei abhing, ein Denken entwickeln, das den Menschenhandel rechtfertigte. Wenn alle im Süden, vom Schullehrer über den Pfarrer bis hin zum Politiker der Meinung waren, dass Schwarze Untermenschen seien, wenn sie ein solides Feindbild entwickeln würden, dann stand die Sklaverei und damit der wirtschaftliche Wohlstand der Weißen auf einem sicheren Fundament. Also taten sie es.
Nach dieser Theorie entstand die Sklaverei nicht aufgrund von Rassismus, sondern Rassismus aufgrund von Sklaverei.
Die transatlantische Sklaverei wurde bereits 1444 von den Portugiesen erfunden. Doch es war erst der Zucker, der den Menschenhandel richtig auf Touren brachte, und ab Mitte des 16. Jahrhunderts verschifften auch Spanier und Briten Sklaven im großen Stil auf ihre Zuckerrohrplantagen – und verwandelten Südamerika und die Karibik so in eine einzige Goldmine. Als die nordamerikanischen Kolonien dann später Tabak und Baumwolle als Exportprodukte entdeckten, war es bereits ein Leichtes, an Sklaven zu kommen.
Es gibt in den USA so viele Filme, Romane und Sachbücher sowie Zeitungsberichte und politische Initiativen zu dem Thema – und gleichzeitig so wenig Auseinandersetzung mit der Sklaverei in anderen westlichen
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