Planeten 03 - Venus
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Ich tue das für Alex, redete ich mir ein. Obwohl ich wusste, dass das Unsinn war. Alex war tot, und es gab nichts, was ich oder sonst jemand zu tun vermochte, um das rückgängig zu machen.
»Ist alles in Ordnung, Mr. Humphries?«
Mit Mühe konzentrierte ich mich wieder auf Rodriguez. Er wirkte besorgt, fast ängstlich.
Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. »Es tut mir Leid. Was sagten Sie?« .
»Sie schienen weit weg zu sein«, erwiderte Rodriguez. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Äh ... ich brauche meine Injektion«, sagte ich und rollte auf dem Stuhl vom Tisch und dem darüber schwebenden Hologramm weg.
Rodriguez erhob sich mit mir. »Ja, natürlich. Wir können auch später weitermachen.«
»Genau«, sagte ich und ging zur Tür. Nur dass ich die Injektion in diesem Moment gar nicht brauchte.
Außerdem hätte ich das sogar im Konferenzraum erledigen können: Es ist kein großer Akt – man muss nur die Mikronadel der Spritze auf die Haut pressen und die Aktivatortaste drücken. Aber
ich erzählte jedem, dass ich mir die Spritze in meinem Privatquartier setzen müsste. Das war eine bequeme Ausflucht, ein Ausweg aus lästigen und unangenehmen Situationen wie dieser Besprechung.
Also ging ich in die Suite, die ich im Gebäude auf den Hügeln von Malibu als Privatquartier bezogen hatte. Früher war es ein Forschungslabor gewesen, doch als die See immer weiter anstieg, hatte die Regierung das Gebäude aus Angst, dass es ins Meer rutschte, abreißen wollen. Humphries Space Systems hatte den Komplex quasi für ein Butterbrot erworben und eine offizielle Verfügung für die Einstellung der Abrissarbeiten erwirkt – mit einer generösen Geldzuwendung an die zuständigen Beamten.
Nun befand das ehemalige Laboratorium sich im Besitz der Firma meines Vaters. Mehr als die Hälfte der Fläche war an andere Firmen und die Ingenieure und Administratoren des Greater Los Angeles Sea Wall Project vermietet worden, die gegen die Zeit arbeiteten, um den ansteigenden Pazifischen Ozean daran zu hindern, noch weitere Teile der Stadt zu verschlingen.
Mein Quartier befand sich im obersten Stock des Mittelflügels. Es war klein, aber fein eingerichtet. Als ich die Tür öffnete, sah ich, dass ›SIE HABEN POST‹ in hellen gelben Lettern auf dem Telefonbildschirm blinkte.
»Anrufe abspielen«, sagte ich und ging ins Bad, um mir die Spritze zu setzen.
Der Spiegel über dem Waschbecken flackerte kurz, und dann erschien das ernste Gesicht meines Vaters. »Ich habe dich vor Lars Fuchs gewarnt, erinnerst du dich? Nun, meine Leute haben herausgefunden, dass er draußen im Gürtel eine Art von Schiff zusammendengelt. Er will sich das Preisgeld schnappen, wie ich’s mir gedacht habe.«
Die Vorstellung, dass ich bei der Jagd nach dem Preis Konkurrenz hatte, ließ mich kalt.
Zumindest im Moment. So, wie Vater ihn beschrieben hatte, wäre Fuchs keine Gefahr für mich. Glaubte ich jedenfalls.
Dann ließ Vater die Bombe platzen. »Übrigens, ich habe einen Kapitän für deine Mission ausgewählt. Sie wird etwa in einer Stunde in deinem Quartier in Malibu eintreffen. Ihr Name ist Desiree Duchamp.«
Vaters Bild verblasste, und ich starrte auf mein eigenes Spiegelbild, das ziemlich dumm aus der Wäsche guckte. »Aber Rodriguez wird doch mein Kapitän sein«, sagte ich schwach.
Der Türsummer ertönte.
Ich legte die Spritze auf die Ablage über’m Waschbecken, ging ins Wohnzimmer und rief: »Herein.«
Die Tür entriegelte sich von selbst und schwang auf. In der Tür stand eine große, schlanke und dunkelhaarige Frau unbestimmten Alters. Sie trug eine hautenge Springerkombination aus glänzendem schwarzem Kunstleder. Ihre Augen waren groß und leuchtend. Ein Lächeln hätte ihr das Prädikat ›schön‹ verliehen, aber der Gesichtsausdruck war hart und bitter, fast zornig.
»Treten Sie ein ... Ms. Duchamp«, sagte ich.
»Captain Duchamp, dank Ihnen.«
Mit weiten Schritten marschierte das langbeinige Wesen in den Raum. Bei dem Outfit, das sie trug, hätte ich erwartet, dass ihre hohen Stiefel Pfennigabsätze hatten, doch die Absätze waren ziemlich flach. Ansonsten sah sie aus wie eine Domina aus einem Sadomaso-Video. Fehlt nur noch die Peitsche, sagte ich mir.
»Dank mir?«, fragte ich. »Mein Vater ist auf diese Idee gekommen, nicht ich.«
»Aber Sie sind derjenige, der zur Venus fliegt«, sagte sie mit leiser Stimme. Sie hätte sinnlich geklungen, wenn ihr Missmut nicht so offensichtlich
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