Planeten 03 - Venus
tätowierten sich die Gesichter wie Maori-Krieger.
Der angesagte Stil für meine Generation war Eleganz. Wir hüllten uns ganz extravagant in edle Dinnerjacketts und paillettenbesetzte Kleider. Wir pafften Pseudozigarren mit harmlosen Inhaltsstoffen. Wir glitzerten mit Juwelen und Armbändern und Ohrringen aus wertvollen Metallen von den Asteroiden. Wir kommunizierten in den geschliffenen Wendungen kultivierter Langeweile und imitierten den geistreichen Zynismus von Oscar Wilde und Bernard Shaw. Die Niederungen des Alltagslebens und rüde Ausdrucksweisen waren ganz weit entfernt.
Obwohl wir so elegant gekleidet waren und so gewählte Konversation betrieben, geriet meine Party zum Fiasko. Es war furchtbar peinlich für mich, den Leuten zu sagen, dass ich sie nun doch nicht zur Venus mitnehmen könne. Ich legte ihnen stammelnd die Gründe dar und sah zu meiner Überraschung einen erleichterten Ausdruck in manchen Gesichtern.
Aber nur in ein paar.
»Du gehst also her und erzählst mir, dass du mich extra von Boston hierher bestellt hast, um mir zu sagen, dass du die Einladung zurückziehst?«, echauffierte Quenton Cleary sich. Er sah blendend aus in seiner roten Husarenuniform mit den goldenen Tressen und der Brust voller Orden und Medaillen. Der athletische Quenton war der Star einer internationalen Volleyball-Mannschaft, die er aufgestellt hatte. Sie war sogar schon auf dem Mond gegen die Amateur-Mannschaft von Selene City angetreten. Und sie hätten auch beinahe gewonnen, trotz der widrigen Bedingungen, die dort herrschten.
»Es ist einfach nicht zu machen«, sagte ich zerknirscht. »Ich musste sogar Professor Cochrane Bescheid geben, dass für sie kein Platz im Schiff ist.«
Als ich es ihm noch einmal zu erklären versuchte, nahm Quenton das Tablett mit den kristallenen Champagnergläsern vom Tisch und schleuderte es durchs Wohnzimmer.
Die Gläser zersplitterten auf dem Steinboden vorm Kamin in tausend Scherben.
Das war eben Quenton: Er tendierte zur körperlichen Ausdrucksform. Aber er war kein Narr. Er hatte sich vor dem Ausbruch vergewissert, dass er ein freies ›Wurffeld‹ hatte.
Niemand bekam auch nur einen Kratzer ab. Auch der Vermeer, der über dem Kamin hing, wurde verschont.
»Aber wirklich, Quenton!«, sagte Basil Ustinov.
»Ich bin extra von Boston hergeflogen, wisst ihr«, sagte Quenton erzürnt.
»Und ich bin von St. Petersburg hergeflogen«, sagte Basil. »Was soll’s? Ich bin genauso enttäuscht wie du. Aber Van kann doch auch nichts dafür. Es gibt also keinen Grund, ausfallend zu werden.«
Sie waren alle von weither gekommen, alle außer Gwyneth, die zu der Zeit in Barcelona studierte. Im Zeitalter der Stratoclipper waren die großen Raumhäfen der Welt nicht mehr als eine Flugstunde voneinander entfernt. Die Fahrt vom Flugplatz von New Palma bis zu meiner Finca in den Hügeln von Mallorca dauerte länger als der Flug von Boston nach Palma. Ich hatte schon in Erwägung gezogen, einen Landeplatz für Copter und Senkrechtstarter anzulegen, aber bei der Vorstellung an die Auseinandersetzungen mit den Einheimischen und dem hinterwäldlerischen Gemeinderat verzichtete ich lieber darauf, einen Bauantrag zu stellen.
Allerdings vermochte ich mich auch in die Lage der Stadt hineinzuversetzen. Das war wirklich ein schönes Fleckchen Erde hier oben, ohne das Brüllen von Raketen und das Knattern von Hubschraubern. Es kamen nicht einmal Touristenbusse durch die Hauptstraße der Stadt, so dass dieser Teil der Insel seine idyllische Abgeschiedenheit bewahrte.
Als ich mich in meiner gemütlichen Lieblingscouch zurücklehnte und den Blick durchs Panoramafenster übers Mittelmeer schweifen ließ, wurde mir erst richtig bewusst, wie sehr ich dieses Haus liebte. Die See war ruhig, und die sanfte Dünung leuchtete im Rosa des Sonnenuntergangs. Die Hügelkette fiel in einer Reihe von Terrassen zum Meer ab, die noch immer als Gemüsegärten und Weinberge genutzt wurden. Hannibal hatte diese Terrassen schon gesehen. Dieses Land war von Menschen kultiviert worden, lang bevor die Geschichtsschreibung begonnen hatte.
Der steigende Meeresspiegel hatte die Strände natürlich überflutet, dazu den größten Teil der alten Stadt Palma. Selbst das sanfte Mittelmeer verschluckte seine Gestade. Und doch entsprach Mallorca noch immer meiner Vorstellung vom Paradies.
Und das alles würde ich zurücklassen, um monatelang in einer Metallzelle zu verbringen und Leib und Leben beim Versuch zu riskieren, als erster
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