Planeten 03 - Venus
gelben Dunst und zog eine seiner Leinen mit. Er wurde von den Füßen gerissen und ruderte mit Armen und Beinen; die andere Leine hielt ihn am noch stehenden Abschnitt des Geländers fest, und die andere zerrte ihn vom Schiff herunter.
Ich versuchte ihn zu fassen, aber er war schon so weit weg, dass ich meine Leine hätte lösen müssen, um ihn zu erreichen.
»Zieh mich rauf!« schrie er. Seine Stimme dröhnte im Helmlautsprecher.
»Was ist passiert?«, drang Duchamps schneidende Stimme aus dem Lautsprecher.
Ich sah, wie er die eine Leine vom Gürtel löste. Sie verschwand blitzartig in den Wolken. Ich packte die andere und zog. Die übrige Reling gab nun auch nach. Ich erkannte, dass sie in ein paar Sekunden ebenfalls abreißen würde.
»Zieh mich rauf«!, schrie Rodriguez wieder.
»Was ist da draußen los?«, fragte Duchamp besorgt.
Ich löste eine meiner Leinen und befestigte sie an einer Klampe, die in den Steg eingelassen war. Während Duchamp mir in den Ohren lag, löste ich Rodriguez’ zweite Leine, bevor die Reling ganz abbrach und er auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde.
»Was, zur Hölle, machst du da?«, schrie er.
Durch sein plötzliches Gewicht wären mir fast die Arme ausgerenkt worden. Ich drückte die Augen zu und sah lauter Sterne in der Dunkelheit. Mit zusammengebissenen Zähnen ging ich auf die Knie
und vertäute unter Aufbietung aller Kräfte das Ende seiner Leine mit der Klampe neben meiner.
Ich sah, dass das abgebrochene Ende der Reling flatterte und sich losrüttelte. Und meine andere Leine war noch dran befestigt. Anstatt zu versuchen, ans Ende heranzukommen, löste ich sie einfach vom Gürtel, drehte mich wieder um und zog Rodriguez herauf.
Er selbst half nach Kräften mit. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, und wir beide keuchten und schnauften wie zwei Gegner beim Tauziehen, doch schließlich setzte er die Füße wieder auf den Steg. Und die ganze Zeit schrie Duchamp mir ins Ohr: »Was ist denn los? Was geht da draußen vor?«
»Wir sind in Ordnung«, keuchte Rodriguez schließlich. Er stützte sich auf Händen und Knien auf dem Steg ab. Für einen Moment kam mir der absurde Gedanke, er würde den Helm abnehmen und das Metall küssen.
»Du hast mir das Leben gerettet, Van.«
Bevor ich zu antworten vermochte, fuhr Rodriguez in leicht verlegenem Ton fort: »Erst glaubte ich, du würdest mich zurücklassen und zur Luftschleuse zurückgehen.«
Ich starrte auf seinen spiegelnden Kugelhelm. »Das würde ich doch nie tun, Tom.«
»Ich weiß«, keuchte er, noch immer von Anstrengung und Angst gezeichnet. »Jetzt weiß ich es.«
SCHADENSFESTSTELLUNG
Captain Duchamp und Dr. Waller warteten schon auf uns, als wir aus der Luftschleuse kamen. Ich hörte die durch den Helm gedämpften Fragen, die sie Rodriguez in scharfem Ton stellte.
»Was war dort draußen überhaupt los? Was ist mit dem Sicherungsgeländer passiert?«
Und schließlich: »Sind Sie in Ordnung?«
Rodriguez setzte gerade zu einer Erwiderung an, als ich den Helm abnahm. Waller nahm ihn mir aus den zitternden Händen, und ich sah Marguerite durch den Gang auf uns zueilen.
Während wir beide uns aus den Raumanzügen schälten, gab Rodriguez eine kurze Erklärung dessen, was uns draußen passiert war. Duchamp schaute zornig, als ob wir den ganzen Ärger irgendwie selbst zu verantworten hätten. Ich blickte unentwegt auf Marguerite, die hinter ihrer Mutter stand.
Diese verblüffende Ähnlichkeit. Diese Ähnlichkeit der Gesichter, die Tiefe der pechschwarzen Augen, die gleiche Statur, die gleichen Rundungen.
Doch wo der Captain kratzbürstig und herrisch war, wirkte Marguerite bedrückt und bekümmert – und noch etwas. Etwas mehr. Ich vermochte nicht zu sagen, was da in ihren Augen war; unterbewusst muss ich wohl gehofft haben, dass es Sorge um mich war.
Duchamp und Rodriguez gingen auf die Brücke, und Waller verschwand ohne ein Wort in der winzigen Krankenstation. Marguerite und ich blieben allein vor den Gestellen mit den Raumanzügen zurück.
»Bist du in Ordnung?«, fragte sie mich.
»Ja. Glaube ich zumindest«, sagte ich mit einem Nicken und streckte die Hand aus: »Schau mal, ich zittere auch gar nicht mehr.«
Sie lachte silberhell. »Dafür hast du dir einen Drink verdient.«
Wir gingen zur Bordküche hinunter und kamen dabei an Wallers schrankgroßer Unterkunft vorbei. Sie war leer, und ich fragte mich, wo der Doktor sich wohl versteckt hatte.
Nachdem wir uns Becher mit Fruchtsaft
Weitere Kostenlose Bücher