Planeten 03 - Venus
die Praxis umsetzen wollte. Die Vorstellung, dass wir acht uns in diese winzige Metallkugel quetschten und in den Orbit geschossen wurden, war alles andere als angenehm.
»Inspiziert die Brandspuren«, sagte Duchamp schließlich. »Dann können wir die Hülle unter Druck setzen.«
»Vielleicht«, fügte Rodriguez fatalistisch hinzu.
Ich packte die Armlehnen der beiden Stühle und zog mich daran hoch.
»Also gut, dann sollten wir lieber ...«
Marguerite stürmte auf die Brücke und wäre beinahe über mich gestolpert.
»Leben!«, rief sie mit großen leuchtenden Augen. »Es gibt lebende Organismen in den Wolken! Mikroskopisch, aber Vielzeller! Sie sind lebendig und leben in den Wolken ...«
Es sprudelte nur so aus ihr heraus, und ich hatte den Eindruck, dass sie am Rand der Hysterie stand.
Ihre Mutter stopfte ihr mit einer einzigen Frage den Mund.
»Bist du sicher?«
Marguerite sog die Luft in einem tiefen Zug ein. »Positiv. Sie sind lebendig.«
»Das muss ich sehen«, sagte Rodriguez.
Ich nahm Marguerite sachte am Arm und manövrierte sie auf den Gang hinaus, weil Rodriguez sonst nicht imstande gewesen wäre, sich vom Sitz zu erheben.
Wir folgten Marguerite zu ihrem winzigen Labor. Als wir dort stehen blieben, sah ich, dass Duchamp ebenfalls die Brücke verlassen hatte und uns gefolgt war. Wir starrten auf die Abbildung, die das miniaturisierte Elektronenmikroskop auf den Wandbildschirm projizierte. Ich sah ein paar quallenartige Kleckse, die sich träge bewegten. Es handelte sich eindeutig um Vielzeller, denn im Innern sah ich kleinere pulsierende Kleckse und Trennwände. Die meisten Gebilde waren an den Rändern mit Wimpern besetzt, mikroskopische Ruder, mit denen sie unablässig paddelten. Aber nur schwach.
»Sie sterben«, sagte Marguerite fast traurig. »Es muss die Temperatur sein oder vielleicht die Kombination aus Temperatur und Druck. Sie schaffen es einfach nicht!«
Ich schaute fasziniert auf den Wandbildschirm. »Bei Gott«, sagte ich zu ihr, »du hattest recht.«
»Das ist eine große Entdeckung«, gratulierte Rodriguez.
»Schick das sofort an die IAA«, befahl Duchamp. »Bilder und sämtliche Daten, die du hast. Höchste Priorität.«
»Aber ich habe doch nur ...«
»Willst du den Nobelpreis oder nicht?«, blaffte Duchamp. »Sende diese Daten unverzüglich ans IAA-Hauptquartier. Warte nicht darauf, dass Fuchs dir zuvorkommt.«
Marguerite nickte zustimmend. Zum ersten Mal, seit sie auf die Brücke gestürmt war, schien sie sich zu beruhigen und in die Realität zurückzukehren.
»Ich werde Riza veranlassen, eine Direktverbindung nach Genf zu schalten«, fuhr Duchamp fort. »Und du haust eine schriftliche Pressemitteilung raus. Ein paar Zeilen werden genügen, um dir Priorität einzuräumen. Aber tu es jetzt«
»Ja«, sagte Marguerite und griff nach dem Notebook. »In Ordnung.«
Sie beugte sich über den Computer und wir verließen das Labor. Duchamp ging zur Brücke, während Rodriguez und ich zur Luftschleuse marschierten, wo die Raumanzüge gelagert wurden.
»RIZA«, hörten wir Duchamps Stimme über die Interkom-Lautsprecher, »SOFORT AUF DER BRÜCKE MELDEN.« Sie musste den Befehl nicht wiederholen; der Tonfall in ihrer Stimme ließ erst gar keine Zweifel oder Zögern aufkommen.
»Mikroben in den Wolken«, sagte Rodriguez über die Schulter zu mir. »Wer hätte es für möglich gehalten, dass man in Wolken aus Schwefelsäure Lebewesen entdeckt?«
»Marguerite«, entgegnete ich. »Sie war sicher, lebendige Organismen zu finden.«
»Wirklich?«
Ich nickte hinter seinem Rücken. Ich war soeben Zeuge einer großen Entdeckung geworden. Duchamp hatte recht; ihre Tochter würde einen Nobelpreis dafür bekommen, wie die Biologen, die die Flechten auf dem Mars entdeckt hatten.
Sie hatte erwartet, lebende Organismen auf der Venus zu finden, sagte ich mir erneut.
Vielleicht ist dies das Geheimnis, große Entdeckungen zu machen: Das unbeirrbare Beharren darauf, dass es da draußen etwas zu entdecken gibt, egal was die anderen sagen. Das Glück begünstigt den, der darauf
vertraut. Wer das gesagt hat? Irgendein Wissenschaftler, glaube ich. Wahrscheinlich Einstein. Vielleicht auch Freud.
Wir forderten Dr. Waller und Willa Yeats an, um uns in die Raumanzüge zu helfen.
Waller schaute mich mit seinen blutunterlaufenen Augen unverwandt an und summte
vor sich hin, während ich die Überhose und Stiefel anzog, mich dann in den Anzug zwängte und die Hände durch die Ärmel stieß. Ich
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