Planeten 05 - Saturn
sagte Eberly.
»Ja«, bestätigte Wilmot. »Wir wollen Gewaltanwendung vermeiden, doch dazu müssen ganz bestimmte Maßnahmen getroffen werden.«
Holly sagte ihnen, was sie geplant hatte und was sie von ihnen erwartete.
Cardenas blinzelte, nachdem sie erst einmal begriffen hatte, worum es ging. »Posse comitatus?«, fragte sie ungläubig. »Ein Aufgebot?«
Gaeta stieß ein nervöses Lachen aus. »Heilige Mutter Gottes, meinst du vielleicht ein Aufgebot wie in den alten Western?«
»Das wird nicht funktionieren«, sagte Cardenas. »Diese Leute sind zu individualistisch, als dass sie ein Aufgebot stellen würden, nur weil Sie es verlangen. Sie werden wissen wollen, aus welchem Grund und wie die Aktion ablaufen soll. Befehle werden sie von Ihnen jedenfalls nicht entgegennehmen.«
»Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht«, sagte Wilmot.
Eberly lächelte jedoch. »Sie werden es tun. Ich muss nur ein wenig Überzeugungsarbeit leisten.«
Nach ein paar Stunden Schlaf stürmte Kananga in Eberlys Apartment. »Was machen Sie denn für Sachen? Wir waren uns doch einig, dass diese Lane in meinen Gewahrsam überstellt wird.«
Eberly saß mit verquollenen Augen am Schreibtisch und registrierte die ersten Wahlergebnisse. »Ich habe die Nacht durchgemacht und mich mit Ihrem Problem befasst«, sagte er.
»Mit meinem Problem? Mann, das ist auch Ihr Problem. Ich will, dass sie mir sofort überstellt wird.«
»Das wird sie schon«, sagte Eberly ungerührt. »Regen Sie sich nicht auf.«
»Wo ist sie überhaupt? Wieso ist sie nicht in meinen Händen?«
»Sie ist in Wilmots Apartment«, sagte Eberly und versuchte die Spannung zu kontrollieren, die sich in ihm aufbaute. »Sie wird nirgendwo hingehen.«
»Was geht hier eigentlich vor? Was spielen Sie für ein Spiel?«
Kananga dräute über Eberly wie eine dunkle Gewitterwolke.
»Warten Sie, bis alle Wahlergebnisse vorliegen«, sagte Eberly und wies mit dem Finger auf die schnell sich ändernden Zahlen. »Wenn ich erst einmal der offizielle Leiter dieses Habitats bin, werde ich mit echter Macht ausgestattet sein.« Kananga musterte ihn argwöhnisch.
In der Hoffnung, dass er den Ruander wenigstens halbwegs überzeugen konnte, erhob Eberly sich vom Schreibtischstuhl.
»Wenn Sie mich nun entschuldigen wollen, ich brauche etwas Schlaf.«
»Jetzt? Obwohl die Wahl noch andauert?«
»Ich vermag nichts mehr zu tun, um die Wahlen noch zu beeinflussen. Es liegt nun alles im Schoß der Götter.«
Trotz seiner Verärgerung lächelte Kananga. »Passen Sie nur auf, dass Morgenthau Ihre heidnischen Sprüche nicht zu Ohren kommen.«
Eberly erwiderte das Lächeln gezwungen. »Ich muss etwas schlafen. Es würde nämlich einen sehr schlechten Eindruck machen, wenn der neu gewählte Leiter dieses Habitats sein Amt unausgeschlafen und mit verquollenen Augen antritt.«
19 Stunden bis zur Ankunft
Edouard Urbain verfolgte die letzten Minuten der Wahl in der Abgeschiedenheit seines Privatquartiers mit einer eigentümlichen Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung. Eberly hatte klar gewonnen, das stand am frühen Nachmittag schon fest. Urbain wartete jedoch bis zur Beendigung der Wahl um 17:00 Uhr, bevor er schließlich die Tatsache akzeptierte, dass er nicht der Leiter des Habitats sein würde.
Er lächelte beinahe. Nun kann ich mich endlich wieder meiner Arbeit widmen, sagte er sich, und werde nicht mehr von diesem politischen Affentheater abgelenkt.
Dennoch war er den Tränen nahe. Eine neuerliche Zurücksetzung. Mein Leben lang bin ich vom Spitzenplatz fern gehalten worden. Mein Leben lang hat man mir gesagt, dass ich nicht gut genug für die Nummer eins sei. Sogar Jeanne-Marie hat sich am Ende gegen mich gewandt.
Aber das ist noch nicht alles, wurde er sich bewusst. Nun muss ich mich mit diesem verrückten Stuntman und dem Ansinnen auseinander setzen, auf der Titanoberfläche zu landen. Eberly wird die Forderung natürlich unterstützen. Ich werde die IAA bitten müssen, Eberly mitzuteilen, dass sie es nicht erlauben wird. Damit werde ich mich vor der ganzen Welt bloßstellen ‒ ich bin nicht mal Manns genug, einen simpel gestrickten Abenteurer daran zu hindern, eine jungfräuliche neue Welt zu verseuchen.
Mit Tränen in den Augen wies er das Telefon an, eine Verbindung zu Eberly herzustellen. Ich muss ihm gratulieren und meine Niederlage eingestehen, sagte er sich. Eine erneute Niederlage. Und es wird wohl auch nicht die letzte gewesen sein.
Ilja Timoschenko
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