Planeten 05 - Saturn
herausfinden«, sagte Holly. »Sie ist zurzeit auf Ceres. Wir könnten sie dort abholen, wenn wir durch den Gürtel fliegen. Ich habe den Flugplan kontrolliert; wir werden im Abstand von einem Tagesflug an Ceres vorbeikommen. Sie könnte doch in einem Schiff mit Fusionsantrieb zu uns fliegen, kein Problem. Ich könnte meine Schwester bitten, einen Flugplan für sie zu erstellen, hundert Pro.«
Eberly strich sich übers Kinn. »Wir haben zwar schon eine vollständige Besatzung, aber ich glaube, für jemanden von Dr. Cardenas' Kaliber haben wir immer Platz.«
»Falls Wilmot zustimmt«, sagte Morgenthau.
»Wilmot«, sagte Eberly fast spöttisch. »Ich treffe die Entscheidungen im Personalbereich, nicht Wilmot.«
»Aber bei einer Sache wie dieser…«
»Ich werde mich darum kümmern«, insistierte er. An Holly gewandt sagte er: »Sagen Sie Dr. Cardenas, dass ich dies gern mit ihr persönlich besprechen würde.«
»Kosmisch!«, platzte Holly heraus.
Sie wollte sich gerade umdrehen und zum Personalbüro zurückgehen, als Eberly sie am Handgelenk festhielt.
»Oberst Kananga haben Sie noch nicht kennen gelernt, nicht wahr?«
Der schwarze Mann stand auf wie ein zusammengelegtes Stativ, das nun ausgeklappt wurde. Er war fast zwei Meter groß, einen ganzen Kopf größer als Holly.
»Unser Sicherheitschef, Oberst Leo Kananga aus Ruanda«, sagte Eberly. »Holly Lane aus Selene.«
Kananga streckte die Hand aus. Holly ergriff sie. Seine langen Finger fühlten sich kalt und trocken an. Sein Griff war kraftvoll, fast schmerzhaft.
Kananga lächelte sie an, aber es war keine Wärme darin. Eher das Gegenteil. Holly lief es eiskalt den Rücken hinunter. Es war wie der Anblick eines Totenkopfes.
145 Tage nach dem Start
Als sie die Treppe zum Dachstuhl des Verwaltungsgebäudes erklomm, fragte Holly sich, wieso Eberly sie ausgerechnet ins Dachgeschoss zitiert hatte. Sie trat durch die Metalltür und hielt Ausschau nach ihm. Es war aber niemand außer ihr hier.
Sie näherte sich der Dachkante bis auf zwei Schritte und drehte sich im Kreis. Sie war allein.
Er ist doch sonst immer so pünktlich, sagte sie sich. Wieso ist er denn jetzt nicht hier?
Dann wurde sie sich bewusst, dass sie über eine Minute zu früh dran war, und sie entspannte sich etwas. Er wird schon noch kommen, sagte sie sich, pünktlich auf die Sekunde.
Beim Blick aus dem zweiten Stock sah Holly die anderen flachen Gebäude des Dorfes weiß im Sonnenlicht leuchten.
Der lange Schlitz des Sonnenfensters über ihr war so grell, dass sie nur einen kurzen Blick darauf zu werfen vermochte.
Und selbst dann brannte ihr das Nachglühen noch in den Augen.
Es ist alles in Ordnung, sagte Holly sich. Das Habitat funktioniert reibungslos, und jeder tut seine Arbeit, die ihm zugewiesen wurde. Vor ein paar Tagen gab es zwar Probleme mit einem der Sonnenspiegel, aber die Wartungs-Crew ist in Raumanzügen ausgestiegen und hat ihn repariert. Nun drehte er sich wieder ordnungsgemäß und sorgte dafür, dass Sonnenlicht durch die langen Fenster strömte, während das Habitat sich um seine Achse drehte.
Wir brauchen Sonnenlicht wie die Luft zum Atmen, sagte Holly sich. Wo auch immer wir hingehen, wie weit auch immer von der Erde wir uns entfernen, menschliche Wesen brauchen Sonnenschein. Es ist mehr als schlichte Biologie, mehr als das Bedürfnis nach Grünpflanzen am Anfang der Nahrungskette. Sonnenlicht macht uns glücklich und vertreibt Depressionen. Muss schrecklich sein auf der Erde, wenn es bewölkt und stürmisch ist und sie die Sonne tagelang nicht sehen. Kein Wunder, dass die Flachländer leicht verrückt sind.
Sie schaute wieder auf die Uhr. Er wird schon kommen, sagte sie sich. Er ist bisher immer pünktlich gewesen. Aber wieso hat er mich gerade hierher bestellt? Nur wir beide. Sie verspürte einen Anflug nervöser Erregung. Nur wir beide.
Vielleicht empfindet er das für mich, was ich auch für ihn empfinde. Vielleicht nur ein bisschen, aber…
»Da sind Sie ja schon.«
Sie wirbelte herum und richtete den Blick auf Eberly, der über den rutschsicheren Bodenbelag des Dachbodens langsam auf sie zukam. Er ist wirklich stattlich, sagte sie sich. So voller Energie. Aber er solle sich besser kleiden, sagte Holly sich beim Anblick der labbrigen grauen Hose und des noch dunkleren formlosen Gewandes, das ihm eine Nummer oder so zu groß um die Schultern hing.
»Ich wollte mich einmal außerhalb des Büros mit Ihnen unterhalten«, sagte er und blieb eine Armlänge
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