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Planetenwanderer: Roman (German Edition)

Planetenwanderer: Roman (German Edition)

Titel: Planetenwanderer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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ihre Grundüberzeugung lautet, dass es die Bestimmung des intelligenten Lebens sei, das Universum zu erfüllen, dass das Leben das höchste Gut sei. Lebensfeindlichkeit – Entropie – ist das ultimativ Böse. Die Kirche glaubt, dass Leben und Nichtleben in einem, sagen wir, Wettbewerb stehen. Wir müssen uns entfalten, sagt die Kirche, durch immer höhere Stadien von Bewusstsein und Genie bis hin zur letztendlichen Göttlichkeit, und wir müssen diese Göttlichkeit rechtzeitig erreichen, um den Hitzetod des Universums abzuwenden. Da die Evolution sich durch den biologischen Mechanismus der Fortpflanzung entfaltet, müssen wir uns fortpflanzen, müssen immerzu expandieren und den Genpool bereichern, unsere Saat über die Sterne verstreuen. Die Geburten zu begrenzen … damit könnten wir den nächsten Schritt der Evolution beeinträchtigen, vielleicht ein Genie abtreiben, einen Protogott, den Träger eines mutierten Chromosoms, das die Spezies auf die nächste, transzendente Sprosse der Leiter heben könnte.«
    »Ich denke, dass ich die Grundlagen dieses Glaubens begreife.«
    »Wir sind ein freies Volk, Tuf«, sagte Tolly Mune mit Nachdruck. »Religiöse Mannigfaltigkeit, freie Wahl, all das. Bei uns gibt es Erikaner, Altchristen, Kinder der Träumer. Wir dulden Bastionen der Stahlengel und Melder-Kommunen – was Sie wollen. Aber mehr als achtzig Prozent der Bevölkerung gehört immer noch der Kirche der Lebensentfaltung an, und ihr Glaube ist zurzeit vielleicht sogar stärker, als er es je zuvor gewesen ist. Diese Leute sehen sich um, und sie sehen all die offensichtlichen Früchte der Lehren ihrer Kirche. Wenn Milliarden von Menschen leben, sind darunter eine Million Genies, und man hat den Stimulus virulenter Kreuzbefruchtung, den ungezügelten Wettkampf um Verbesserungen der Art im Kampf ums Dasein. Also ist es verflixt und zugenäht nur logisch, dass es auf S’uthlam so oft zu wundersamen technologischen Durchbrüchen kommt. Diese Leute sehen unsere Städte, unseren Fahrstuhl, sie sehen die Besucher, die von hundert Welten kommen, um hier zu lernen, sie sehen, wie wir sämtliche Nachbarwelten in den Schatten stellen. Sie sehen keine Katastrophe, und die Kirchenoberhäupter sagen, dass alles gut wird, also warum zum Teufel sollte irgendjemand aufhören, sich fortzupflanzen!« Sie schlug fest auf den Tisch und drehte sich zu einem Kellner um. »Du!«, bellte sie. »Mehr Bier. Und zwar schnell.« Sie wandte sich wieder Tuf zu. »Also kommen Sie mir nicht mit solchen naiven Vorschlägen. Geburtenbeschränkungen sind in unserer Situation völlig undurchführbar. Unmöglich. Verstehen Sie das, Tuf?«
    »Es gibt keinen Grund, meine Intelligenz in Zweifel zu ziehen.« Er streichelte Sodom, die sich, mit Schinken überfressen, auf seinem Schoß ausgestreckt hatte. »Die Misere von S’uthlam berührt mich zutiefst. Ich werde mich bemühen, alles mir Mögliche zu tun, um das Leid auf Ihrem Planeten zu lindern.«
    »Dann verkaufen Sie uns die Arche? «
    »Das ist eine unbegründete Schlussfolgerung«, entgegnete Tuf. »Allerdings werde ich tun, was in meinen Möglichkeiten als ökologischer Ingenieur steht, bevor ich zu anderen Planeten weiterreise.«
    Die Kellner brachten das Dessert – fette, blaugrüne Geleefrüchte, die in Schüsseln voller angedickter Sahne schwammen. Sodom roch die Sahne und sprang neugierig auf den Tisch, während Haviland Tuf den langen Silberlöffel nahm, der ihm gereicht worden war.
    Tolly Mune schüttelte den Kopf. »Bringen Sie das weg«, bellte sie. »Das ist viel zu fett. Ich möchte nur Bier.«
    Tuf blickte auf und hob einen Finger. »Einen Moment! Es besteht keine Notwendigkeit, Ihre Portion dieser köstlichen Süßspeise verkommen zu lassen. Sodom wird sich sicher darüber freuen.«
    Die Hafenmeisterin trank aus einem frischen Krug braunen Biers und runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen soll, Tuf. Wir stecken hier in einer Krise. Wir müssen dieses Schiff haben. Das ist Ihre letzte Chance. Werden Sie verkaufen?«
    Tuf sah sie an. Sodom machte sich schnell über das Dessert her. »Meine Position bleibt unverändert.«
    »Dann tut es mir leid. Ich wollte das nicht tun.« Sie schnippte mit den Fingern. In der Stille dieses Augenblicks, in der nur Sodom zu hören war, die ihre Sahne schleckte, wirkte das Geräusch wie ein Pistolenschuss. Ringsherum an den kristallenen Wänden griffen die großen, aufmerksamen Kellner in ihre schwarz-goldenen Jacken und brachten

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