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Planetenwanderer: Roman (German Edition)

Planetenwanderer: Roman (German Edition)

Titel: Planetenwanderer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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riesigen milchigen Quallen in der Sonne.
    Plötzlich entstand Unruhe. Ohne erkennbaren Grund rannten einige Menschen los. Andere beendeten das, was sie gerade taten, und schauten sich verwirrt um. Wieder andere arbeiteten selbstvergessen weiter. Die große Metallklaue schwang jetzt offen und leer zurück über das Wasser und versank darin, eine zweite am anderen Ende des Schiffs tauchte soeben auf. Immer mehr Menschen rannten. Zwei Männer stießen zusammen und gingen zu Boden.
    Dann tauchte unter dem Schiff der erste Tentakel auf.
    Er wuchs und wuchs. Er war länger als die Baggerschaufel. Wo er aus dem dunkelgrünen Meer ragte, schien er so dick wie der Oberkörper eines Mannes zu sein und verjüngte sich auf die Größe eines Armes. Der Tentakel war weiß, eine weiche, schleimige Art von Weiß. An der gesamten Unterseite befanden sich leuchtend rosafarbene Kreise so groß wie Teller, Kreise, die sich drehten und pulsierten, während der Tentakel sich um das riesige Ernteschiff schlang. Das Ende des Tentakels teilte sich in ein wahres Rattennest kleinerer Tentakel auf, dunkel und rastlos wie Schlangen.
    Höher und höher stieg er empor und beugte sich dann abwärts über das Schiff, bahnte sich seinen Weg um das Schiff herum. Etwas bewegte sich auf der anderen Seite, etwas Bleiches rührte sich zwischen all dem Grün, und der zweite Tentakel tauchte auf. Dann ein dritter und ein vierter. Einer kämpfte mit einer Ernteschaufel. Ein anderer hatte die Reste eines Netzes um sich gewickelt wie einen Schleier, was ihn aber nicht zu behindern schien. Jetzt rannten alle Menschen – alle außer denen, die die Tentakel gefunden hatten. Einer davon hatte sich um eine Frau mit einer Axt gewickelt. Sie hackte wild darauf ein, schlug gegen die bleiche Umarmung, bis sich ihr Rücken krümmte und sie plötzlich erschlaffte. Der Tentakel ließ sie fallen, weiße Flüssigkeit pulste schwach aus den klaffenden Wunden, die sie ihm zugefügt hatte, und suchte sich ein anderes Opfer.
    Zwanzig Tentakel hatten sich erhoben, als das Schiff sich plötzlich nach Steuerbord neigte. Überlebende schlitterten über das Deck und ins Meer. Das Schiff legte sich immer mehr auf die Seite. Irgendetwas kippte es, zog es hinunter. Wasser schwappte über die Bordwände und in die offenen Ladeluken. Dann brach das Schiff auseinander.
    Haviland Tuf hielt die Projektion an und betrachtete den Anblick auf dem großen Bildschirm: das grüne Meer und die goldene Sonne, das zerschmetterte Schiff, die bleichen Tentakel, die es umfingen. »Das war der erste Angriff?«, fragte er.
    »Ja und nein«, antwortete Kefira Qay. »Zuvor waren ein anderes Ernteschiff und zwei Passagierfähren auf mysteriöse Weise verschwunden. Wir hatten diese Vorfälle untersucht, aber wir kannten den Grund nicht. In diesem Fall war zufällig ein Kamerateam in der Nähe, das gerade eine Aufzeichnung für eine Bildungssendung machte. Die Leute haben mehr bekommen, als sie sich erhofft hatten.«
    »In der Tat«, sagte Tuf.
    »Sie waren in der Luft, in einem Gleiter. Die Nachrichten haben an diesem Abend fast eine Panik ausgelöst. Aber erst, als das nächste Schiff unterging, wurde es wirklich ernst. Da erkannten die Wächter allmählich das ganze Ausmaß des Problems.«
    Haviland Tuf starrte zum Bildschirm hinauf, sein großes Gesicht wirkte unbeteiligt, ausdruckslos, seine Hände ruhten auf der Konsole. Ein schwarz-weißes Kätzchen schlug nach seinen Fingern. »Geh weg, Torheit«, sagte er und setzte das Tier behutsam auf den Boden.
    »Vergrößern Sie einen Ausschnitt eines der Tentakel«, schlug die Wächterin neben ihm vor.
    Still tat Tuf, worum sie ihn gebeten hatte. Ein zweiter Bildschirm leuchtete auf und zeigte die körnige Vergrößerung eines großen, blassen Seils aus Muskelgewebe, das über das Deck gebeugt war.
    »Schauen Sie sich einen der Saugnäpfe genau an«, sagte Qay. »Die rosafarbenen Teile dort, sehen Sie?«
    »Der Drittletzte ist im Innern dunkel. Und er scheint Zähne zu haben.«
    »Ja«, sagte Kefira Qay. »Die haben sie alle. Die äußeren Lippen dieser Saugnäpfe sind eine Art harter, fleischiger Flansch. Wenn sie irgendwo aufschlagen, weiten sie sich und bilden eine Art Vakuumsiegel, das man auf keinen Fall lösen kann. Aber jedes von ihnen ist auch ein Maul. Im Inneren dieses Flansches befindet sich eine weiche rosafarbene Manschette, die sich zurückzieht, und dann gleiten die Zähne hervor – drei Reihen, gezackt und schärfer, als Sie es sich

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