Plasma City
Steppjacke und weder Schmuck noch Make-up, aber irgendwie ist sie dennoch von einer Aura von Berühmtheit umgeben. Jahrelang wurden ihre Haut und ihr Haar sorgfältig gepflegt und sie bewegt sich mit der maßvollen, unaufgeregten Eleganz einer Schauspielerin, die daran gewöhnt ist, im Rampenlicht zu stehen und sich immer von der Schokoladenseite zu zeigen. Anmutig und mit routinierter Freundlichkeit, die man beinahe für echt halten könnte, reagiert sie auf die unbeholfenen Artigkeiten der Techniker. Auch wenn sie auf alle Attribute ihres Ruhmes verzichtet hat, sie wurde von allen in der Fabrikhalle auf den ersten Blick erkannt, als sie aus dem Wagen gestiegen ist.
Constantine, denkt Aiah, benutzt seine Berühmtheit. Für ihn ist sie eine Waffe oder ein Werkzeug, das er einsetzt, um zu bekommen, was er haben will – einen Tisch im Restaurant, Zugang zu einflussreichen Menschen. Aldemars Ruhm scheint ein Teil ihrer selbst zu sein, der einfach zu ihr gehört und keine besondere Funktion besitzt.
Einer der Techniker eilt herbei und bietet ihr ein Sandwich an.
Die Magierin spürt Aiahs Blicke und schaut sie unter den Locken heraus an. »Wollten Sie mir etwas sagen?«, fragt die Schauspielerin.
»Nein, aber mir hat niemand ein Sandwich angeboten.«
Aldemars Mundwinkel zucken amüsiert. »Vielleicht kann Ihnen einer der Herren hier eins besorgen.«
Einer der Herren ist so freundlich.
■ ■ ■
04.22 Uhr: Team Acht-C erreicht Orientierungspunkt ›Fenster‹ auf dem Weg zu Punkt ›Säule‹.
Aiah erinnert sich an die Geschichten über den Barkazil-Krieg, die sie als kleines Mädchen gehört hat. Die alten Soldaten haben in den Hauseingängen gesessen, Bier getrunken und in Erinnerungen geschwelgt. Sie stellt sich vor, wie Lastwagen und gepanzerte Fahrzeuge diszipliniert in Kolonnen fahren, wie die Motorengeräusche den Schlaf der Bürger Caraquis stören. Marines eilen in Kanonenbooten in der Dunkelheit unter der Stadt zwischen den riesigen Stützpfeilern zu ihren Einsatzorten.
Sie schaut zur Videoüberwachung. Das Schildlicht schimmert auf den Rotorblättern und den stumpfen Spitzen der Raketen.
Sie denkt an die Delphine, die unter Booten der Caraqui durch die Dunkelheit schießen, Waffen in den kleinen Händen.
Sie denkt an Taikoen, den Gehenkten, der im Plasma lebt und mit Gespensterfingern hinausgreift, um seine Opfer zu erdrosseln.
Sie fragt sich, wer sterben wird und wer nicht, weil es die ordentlich aufgestellte Checkliste so verlangt und wer daneben völlig willkürlich das Leben verlieren wird, weil plötzlich alle Pläne über den Haufen geworfen und alle Strategien umgestoßen werden müssen.
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04.40 Uhr: Fabrik geht auf Sendung. Alle Vorräte zum Tapeziertisch umschichten.
Aiah kennt die Geräte so gut wie jeder andere, deshalb legt sie selbst die Schalter um. Kupferne Kontaktbügel rasten auf den riesigen Akkumulatoren und Kondensatoren ein. Plasma strömt durch die Leitungen und wird von der Sendeantenne abgestrahlt, die oben auf dem Dach hinter einer Reklametafel verborgen ist.
Der Tapeziertisch ist ein silbernes Luftschiff, das auf einem genau berechneten Kurs fliegt, um ständig im Sendekegel der Fabrik zu bleiben. Ein Bronzegitter, mit dem die Außenhülle des Luftschiffs verkleidet ist, nimmt das Plasma auf und leitet es zu den Sendeantennen des Luftschiffs. Von den Antennen, die mit dem Antrieb und der Steuerung des Schiffs synchronisiert sind, wird das Plasma dann zu Constantines Magiern abgestrahlt, die es einsetzen.
Aldemar sitzt mit geschlossenen Augen bequem auf einem Polsterstuhl. Sie hat sich kupferne Ringe um die Handgelenke gelegt – die militärischen Gegenstücke eines Handsenders. Festgeklemmt, damit man sie nicht versehentlich fallen lässt. Es ist ihre Aufgabe, den Plasmastrahl zu verfolgen und dafür zu sorgen, dass die Energie den Tapeziertisch erreicht. Falls der Tapeziertisch angegriffen wird, soll sie eingreifen und bei der Verteidigung helfen.
»Alle Leitungen ausgeschaltet«, meldet Trucker.
»Magier-Angriff! Magier-Angriff!«, schreit Red. Aiah zuckt erschrocken zusammen, und das Herz hämmert in der Brust wie der Marschtritt der vorrückenden Sturmtruppen, aber sie kann im Augenblick nichts weiter tun.
Jemand tippt ihr auf die Schulter. Einer der Techniker, der wie sie selbst Handschuhe trägt, reicht ihr einen militärischen Schutzhelm aus hoch belastbarem Plastik. »Setzen Sie den lieber auf«, meint er.
»Die Zeitpläne
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