Plasma City
Ehre, tapfere Dame«, sagt er und zieht sie wieder an sich, um sie noch einmal zu küssen. Er nimmt sie in die Arme. Angst und Leidenschaft ringen in Aiah miteinander. Heftig erwidert sie seinen Kuss. Sie will ihn ganz besitzen, seinen brillanten Verstand, den Humor, den Körper, der sich an sie schmiegt. Sie will ihn ganz und gar besitzen, solange der Augenblick dauern darf …
■ ■ ■
Etwa eine Stunde später haben sie gebadet, sich angezogen und die Gifte der Müdigkeit mit Plasma verbrannt. Aiah verlässt Seite an Seite mit Constantine das Schlafzimmer. Die Halskette aus Elfenbein trägt sie über dem Abendkleid, das seidene Nachthemd ist in der kleinen Reisetasche verstaut. Constantine ist wie für eine Privatreise gekleidet: graue Cordhosen, Stiefel, die weiche schwarze Lederjacke. Ein halbes Dutzend von Constantines Mitarbeitern wartet schon, unter ihnen auch Sorya, die mit dem Militärmantel und der Kappe in einem dicken Polstersessel sitzt, die Beine mit den Stiefeln lang ausgestreckt.
Sie haben hier gewartet, denkt Aiah kalt, während hinter der dünnen Zimmertür die fünfte Ebene des harmonischen Gleichgewichts gebebt hat.
Sorya streckt sich und gähnt träge. »Das Freizeitvergnügen ist vorbei«, sagt sie und steht auf. Sie geht zu Constantine, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn auf die Wange.
»Der Luftwagen, der uns nach Barchab bringen soll, steht bereit. Geymard erwartet uns dort.«
»Dann sollten wir aufbrechen«, sagt Constantine.
»Kein Gepäck? Na gut.«
Sorya dreht sich zur Tür um, hält noch einmal inne und sieht Aiah an. Der Blick durchfährt Aiah wie ein kalter Blitz. Sorya kommt zu ihr, nimmt Aiah zärtlich in die Arme und küsst sie sachte auf beide Wangen. »Vielen Dank für alles«, sagt sie. Sie greift in eine Manteltasche und zieht einen klimpernden Samtbeutel heraus, den sie in Aiahs Hand fallen lässt.
»Das ist für Ihre Dienste«, sagt sie lächelnd und dreht sich um.
Aiah starrt benommen den schweren kleinen Beutel an. Das Blut schießt ihr in die Wangen, Mordgelüste melden sich in ihrem Herzen kreischend zu Wort. Die Finger verkrampfen sich um das Geld. Als sie dann antwortet, klingen ihre Worte schneidend, als würde sie mit einem Dolch zustoßen.
»Geben Sie mir ruhig Bescheid, wenn Sie noch einmal meine Hilfe brauchen«, sagt sie leise. Sorya, schon mit dem Rücken zu ihr an der Tür angelangt, zuckt sichtlich zusammen.
Die anderen folgen Sorya eilig nach draußen. Constantine beugt sich noch einmal kurz und vertraulich zu Aiah und drückt mit seiner großen Hand ihren Arm. »Sorya ist wie sie ist«, sagt er. »Aber ich danke den Göttern, dass du bist, was du bist.«
Aiah macht rasch das Zeichen Karlos auf seine Stirn. »Geh jetzt«, sagt sie und küsst ihn.
Aiah bleibt an der Tür stehen und sieht dem großen Mann nach, der im Kreis seiner Anhänger, fast schon wie in Kampfformation, den Flur hinuntergeht.
Es ist zu gefährlich, so viel Geld herum liegen zu lassen. Sie nimmt Soryas Geld und die fünftausend, die sie im Düngerbeutel im winzigen Garten versteckt hat, und bringt das Geld zu einer Wechselstube. Bis auf ein paar hundert tauscht sie jeden Clink gegen eine Kreditkapsel ein und versteckt die Kapsel in einem Versorgungsschacht der Loeno Towers, den sie mit ihrem Schlüssel von der Behörde betreten kann.
Keine Fahrten mehr mit der Limousine, nur eine verabredete Zeit und ein Passwort, damit sie durch die Tür kommt. Mit der Red Line zur New Central Line, über die Mudki-Station zur Garakh-Station in der Nähe des Terminals. Aiah weiß, dass sie sich ungeschützt und gefährdet fühlen wird, wenn sie im vollen Schildlicht durch die Straßen zur Fabrik geht, aber sie wagt es nicht, ein Taxi zu benutzen, weil sich der Fahrer an sie erinnern könnte.
Sie steigt die Treppe der New Central Line zur Straße hinauf und kippt vor Schreck fast um, als sie direkt in Constantines Gesicht sieht.
Wer ist Constantines heimliche Geliebte?
Die düster glühenden Buchstaben müssen einen halben Radius groß sein.
Einzelheiten im Wire.
Aiahs Fuß tastet nach einer Stufe, die nicht da ist, und sie stürzt beinahe. »Vorsicht!« Ein hilfsbereiter Mitmensch packt ihren Arm. »Diese alte Betontreppe musste wirklich mal ersetzt werden.« Über ihr verblasst Constantines Gesicht und weicht einer schreienden Schlagzeile über einen Lotterieskandal mit einem Abbild eines Politikers, der sein Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher