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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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nicht einmal das zu.
    Ein Mann half ihr beim Ausziehen und reinigte die Hüftwunde behutsam von Blut und rauchgeschwärzter Erde. Ruth trug nur ihr T-Shirt und Socken, was sie weniger genierte als ihr klappriges Gestell: Als sie sich auf die unversehrte Seite herumwälzte und ihr Hemd dabei hochrutschte, traten die Rippen wie ein Xylofon unter der Haut hervor. Ganz in ihrer Nähe lag Deborah, oben ohne und lediglich mit einem Höschen bekleidet, während sich die Sanitäter ihrer Rückenwunde widmeten – und Deborah sah auch nach der langen Zeit der Notrationen noch gut aus. Wirklich gut. Sie war schlank und hochgewachsen, mit glatter Haut und kleinen, perfekt geformten Brüsten.
    Ruth sah, dass Cam Deborah musterte, und plötzlich merkte er, dass sie das Gleiche tat. Ruth wurde rot. Die Mediziner bemerkten jedoch nichts von ihrem Blickwechsel. Sie hatten vermutlich Tausende von Patienten behandelt. Als Ärztin schien auch Deborah über den Dingen zu stehen. Ruth fand, dass das eine Schande war – der menschliche Körper, reduziert auf ein Werkzeug oder Transportmittel. Sie war froh, dass sie noch in der Lage war, heimliche Blicke mit einem Mann auszutauschen.
    Cam bereitete ihr Sorgen. Er rieb sich immer wieder das linke Ohr und tastete wiederholt nach seinem Brustkorb. Estey war zwar der Ansicht, dass Cams Rippen nur geprellt waren, aber offensichtlich konnte er den linken Arm nur unter großen Schmerzen heben und war, wie er selbst sagte, auf dem einen Ohr immer noch taub.
    Ihr Chirurg kam, ein kranker Mann mit einem Gesicht wie feuchte Asche. Die Strahlung. Er hustete und hustete unter seiner Maske und hielt dazwischen die Luft an, weil er zumindest für kurze Zeit ruhige Hände brauchte. Ruth überlegte, ob sie um einen anderen Arzt bitten sollte, aber in diesem Augenblick beugte sich eine Schwester dicht über sie und flüsterte ihr zu: »Colonel Hanson ist der Beste.«
    Er war noch schlimmer dran als Hernandez, und doch tat er weiterhin Dienst. Ruth fragte sich, wie viele andere bereits unter der Erde oder im Sterben lagen. Sie wusste, dass auch sie selbst bis zum bitteren Ende an ihrer Arbeit bleiben würde.
    Er pumpte ihre Hüfte mit Novacain voll, einem Mittel zur lokalen Betäubung von Zahnschmerzen. Etwas anderes hatte er nicht. Sie waren mit ihren Medikamenten am Ende, und jeder Tag brachte mehr Verwundete. Ruth schrie, als er das Schrapnell entfernte und der Schleifdruck auf ihren Beckenknochen unerträglich wurde. Aber alles, woran sie sich später erinnerte, war Cams Hand, die sich fest um ihre Finger schloss.
    Hernandez suchte sie noch einmal nach Einbruch der Dunkelheit auf. Ruth hatte sich gezwungen, trotz ihrer Übelkeit eine Schale Suppe zu essen. Sie lag mit halb geschlossenen Augen auf einer Pritsche und driftete irgendwo zwischen ihrem Schmerz und dem trüben, ständig wechselnden Licht umher.
    Man hatte sie in ein Feldlazarett gebracht, länger, kälter und überfüllter als das Zelt für die Erstversorgung. Ganz am Ende des Raums brannte eine Laterne. In regelmäßigen Abständen verdunkelten Pflegekräfte das Licht. Dutzende von Patienten, die sich auf den Betten und auf dem Boden hin und her wälzten, warfen lange Schatten durch das Zelt.
    Cam und Deborah hatten sich wie Bücherstützen links und rechts von Ruth niedergelassen, beide steif von ihren eigenen Wunden. Die beiden Frauen teilten sich das Bett, der Wärme wegen waren sie eng zusammengerückt. Deborah lag außen, um die frische Wundnaht am Rücken zu schützen. Cam saß am Boden, und zwar so an den dünnen Metallrahmen der Pritsche gelehnt, dass er Ruths Füße fast berührte. Er hatte den Kopf auf die Knie gelegt und schlief. Ruth hätte die beiden am liebsten gebeten, die Plätze zu tauschen, wollte Deborah aber nicht kränken. Außerdem konnte sich die Ärztin nicht mit dem Rücken gegen das Bett stützen. Auch Cam gegenüber wäre es unverzeihlich gewesen. Sie hatte ihn oft genug weggestoßen und wieder zurückgeholt.
    Dabei hatte sie nie beabsichtigt, mit seiner Zuneigung zu spielen. Sie wollte ihre Beziehung festigen, selbst wenn es zu nicht mehr als ein wenig flüchtigem Sex reichte. Wann hatten sie je Zeit füreinander gefunden? Vermutlich hätten die Ranger weggeschaut, wenn sie und Cam gemeinsam in einen Schlafsack gekrochen wären, aber sie hätte sich so verletzlich gefühlt. Schlimmer noch, jemand hatte die Schachtel mit den Kondomen aus ihrem Rucksack gestohlen, als sie in Grand Lake medizinisch versorgt

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