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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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anzugreifen und sich deshalb in den Extremitäten sowie in Narbengewebe anzusiedeln. Die Impf-Nanos verhielten sich zwar ähnlich, aber mehr als einmal hatten die drei Gefährten unter dem endlosen Krieg gelitten, der in ihrem Innern tobte.
    Bei Ruth war es der gebrochene Arm. Das geschwollene, verklebte Gewebe schien die Nanos wie ein Schirm aufzufangen und in ihrem Handgelenk festzuhalten. Der Schmerz fraß sich mit jedem Mal ein wenig tiefer. Sie entwickelte eine geradezu zwanghafte Angst, dass ihr Arm verkrüppelt bleiben könnte – vielleicht, um all die anderen Gefahren auszublenden: Blutungen. Schlaganfall. Herzinfarkt. Tod.
    Einen Moment lang starrte sie Cam an, am ganzen Körper zitternd. Aber er war nur ein Schatten hinter dem weißen Lichtstrahl in seiner Hand, gesichtslos und fern. Ruth bückte sich und riss ihren Rucksack an sich, während Newcombe ebenfalls seine Taschenlampe einschaltete. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, ihren Schlafsack zusammenzurollen, sondern schwang sofort ein Bein über die seitliche Bordwand und begann sich nach unten zu tasten.
    »Ruth ...«
    »Sie sind dreißig Kilo schwerer als ich!«, kreischte sie, hysterisch vor Angst und Neid. »Herrgott noch mal, immer erwischt es mich am schlimmsten! Immer bin ich näher an der maximalen Belastung als ihr!«
    »Lassen Sie mich vorausgehen!«, sagte Cam und sprang vom Boot aus zu Boden. Er landete hart. Der Schein der Taschenlampe zerfloss auf seiner Brust, aber im nächsten Augenblick hatte er sich schon aufgerichtet. Er trat einen Schritt vom Truck zurück.
    »Wir brauchen ein Dach über dem Kopf«, presste Ruth zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Einen Raum, der clean ist.«
    »Okay.« Cam ließ den Lichtfächer über die Straße gleiten und änderte die Richtung nach einem kurzen Blick auf Newcombe. »Los!«, rief er. »Wir können uns unterwegs noch mit Benzin übergießen.«
    Newcombe rannte hinter ihnen her. Ein zweiter Lichtstrahl durchschnitt das Dunkel. Er holte sie ein, als sie den Fußweg erreichten, und hob die freie Hand. »Halt!«, sagte er. »Ich muss das Haus da erst mal untersuchen. Ihr beide wartet hier.«
    Ruth stieß ein Lachen aus, das wie ein Schluchzen klang. Sie empfand es als Irrwitz, hier draußen auf dem verdorrten Rasenfleck zu warten, dicht neben einem Briefkasten. Obwohl ihr Handgelenk brannte, wirkte diese kleine Grasfläche im Dunkel so normal, so vollkommen in Ordnung. Aber Newcombes Entschluss war unumstößlich. Sein Opfer.
    Wenn sie drinnen Skelette fanden, konnten sie davon ausgehen, dass es in den Räumen von Pest-Nanos nur so wimmelte. In der Nähe des Highways, wo so viele Menschen den Tod gefunden hatten, war die Belastung hoch, aber Wind und Regen hatten die Partikel mittlerweile verteilt. Es gab einigermaßen sichere Nischen. So wählten sie ihre Schlafplätze gegen den Wind und verließen sich auf ihre Nerven, um die Dichte der Nanos abzuschätzen. Die Versuche, im Innern von Gebäuden zu kampieren, waren mal mehr, mal weniger vom Glück begünstigt gewesen. Ein hermetisch verschlossener Raum war von unschätzbarem Wert, aber eine einzige Leiche konnte Millionen dieser verdammten Dinger hervorgebracht haben – und sie mussten Spitzenbelastungen unbedingt vermeiden. Schlimm konnte es werden, wenn sie nicht sofort merkten, dass sich in einem Haus ein Toter befand. Sobald sie spürten, dass es mit ihnen zu Ende ging, hatten sich die meisten Menschen nämlich in stille Winkel, unbenutzte Zimmer oder gar Schränke zurückgezogen.
    Selbst wenn sie beim Öffnen jeder Tür Gefahr liefen, dass es zu einer Überreaktion der Impf-Nanos kam, war diese Art von Inspektion notwendig. Häuser mit Leichen waren auch Häuser mit Ungeziefer. Entweder waren Ameisen eingedrungen – und hatten oft genug eine Kolonie zurückgelassen – oder die Fäulnis hatte letzten Endes Termiten und Käfer angelockt.
    Über ihren schmerzenden Arm gekrümmt beobachtete Ruth, wie sich Newcombe dem einstöckigen Haus näherte. Er ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe an der Gebäudefassade entlanggleiten und vergewisserte sich, dass keine Fensterscheiben zerbrochen waren.
    »Was können wir sonst noch tun?«, fragte Cam. »Was sonst noch, Ruth?«
    »Nichts. Abwarten.« O Gott!, dachte sie. Vielleicht sagte sie es auch laut.
    »Hier ist noch eine Maske. Die streifen Sie am besten über die andere. Soll ich Ihnen helfen? Sekunde.« Er stellte seinen Rucksack ab und schob den Stoffstreifen vorsichtig über ihre

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