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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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Brille und die Kapuze. »Ich werde das Haus nebenan untersuchen, falls wir ...«
    »Knochen!«, rief Newcombe, und Cam zog sie mit sich.
    »Weg hier!«, sagte er. »Weg hier!«
    Sie sprachen alle sehr laut und wiederholten ihre Worte, als müssten sie einen großen Lärm übertönen. Das kam wohl daher, dass jeder von ihnen sehr allein war. Ruth lief neben Cam her, während sich von hinten Newcombes Stiefeltritte näherten. Sie hatte das unheimliche Gefühl, in einem Käfig eingesperrt zu sein, obwohl die Straße völlig offen vor ihr lag – eingesperrt in ihre Innenwelt.
    Plötzlich tauchte sie in völliges Dunkel. Die beiden Männer hatten ihre Taschenlampen auf das nächste Haus gerichtet. Seine Eingangstür stand offen, und Newcombe meinte: »Weiter! Das hier können wir vergessen.«
    Ruth stolperte über die Fußwegkante, stürzte und schlug sich das Schienbein an. Aber sie rappelte sich wieder hoch, getrieben von der eisernen Willenskraft, die ihr im Berufsleben stets geholfen hatte. Ihr Denken war auf einen einzigen Punkt gerichtet. Weiter.
    Cam packte sie am Anorak. »Machen Sie langsam!«, warnte er. »Wir müssen gut aufpassen.«
    Ruth folgte dem Lichtstrahl von Newcombes Taschenlampe. Sie wusste einfach zu viel. Jugendliche überlebten schwerwiegende Infektionen selten, Kinder so gut wie nie. Ihre schmächtigeren Körper besaßen nur geringe Abwehrkräfte. Das bedeutete, dass Ruth unter den Pest-Nanos immer stärker leiden würde als die beiden Männer.
    Der Hass, den sie empfand, erschien ihr sinnlos und verrückt, und doch war er da und prallte gegen ihren Schmerz. Sie versuchte ihn zu verbergen. »Weiter!«, kreischte sie. Es half nichts, wenn sie ihm die Schuld zuschob, aber warum hatte Cam sie nicht gewarnt? Er war doch wach gewesen. Er hätte wach sein sollen, wisperte der neue Hass. Dann stürzte sie erneut. Ihr Stiefel verhakte sich an irgendeinem Hindernis, sie kippte über eine spröde Hecke und brach zusammen. Es war, als habe ihr jemand einen Schlag versetzt.
    Ruth blieb einfach liegen, am ganzen Körper zitternd. Das Pochen in ihrem Arm steigerte sich zur Agonie und verdrängte das Auf und Ab ihrer Gefühle.
    »Ich sagte doch, dass Sie langsam machen sollen!« Der Strahl von Cams Taschenlampe wanderte ihren Körper entlang. Staub wirbelte in seinem Licht. Ruth sah, dass sich das Kabel einer kleinen schwarzen Bodenlaterne um ihr Schienbein gewickelt hatte. »Verdammt noch mal, Sie könnten sich das Bein brechen«, sagte er grob. Er kniete sich neben ihr hin und zerrte an dem Kabel. Zum ersten Mal bemerkte sie sein krampfähnliches Zucken. Wieder und wieder riss er den Kopf zur Seite und versuchte das verstümmelte Ohr an der Schulter zu reiben.
    Ruth schaute auf, als sie ganz in der Nähe ein Dröhnen hörte. Newcombe stand vor einem Hauseingang, nahm Anlauf und rammte ihn mit voller Wucht. Unvermittelt splitterte Holz, und er taumelte über die Schwelle.
    »Wir schaffen das«, sagte Cam, aber die Worte waren bloß leerer Schall. Hilfreicher Schall.
    Ruth nickte. Ihn traf keine Schuld. Vielleicht war die Pick-up-Ladefläche einfach stärker verseucht als das Boot. Außerdem hatte Cam seinen Größenvorteil. Vor langer Zeit hatten die Nanos beträchtliche Schäden an seinen Zehen und Händen angerichtet. Dazu kam das entsetzlich zerfressene Ohr. Es war unwahrscheinlich, dass er vor ihr einen Befall bemerkte. Aber sie hatte sich angewöhnt, zu viel von ihm zu erwarten – ob das nun fair oder unfair war.
    »Können Sie aufstehen?«, fragte er und streckte ihr einen Arm entgegen.
    »Unbelastet! Ich glaube, es ist unbelastet!«, schrie Newcombe im Haus, und Ruth und Cam rannten den ordentlichen Kiesweg entlang. Auf der Türschwelle lag noch der WELCOME- Fußabstreifer.
    Die in dunklem Holz gehaltene Eingangsdiele ging in ein Esszimmer über. Newcombe stand an der Treppe zum ersten Stock und winkte ihnen zu. Seine Finger waren von einem Krampf befallen. »Hierher«, sagte er und ging voraus. Seine Taschenlampe funkelte auf einer Sammlung von kleinen Fotos, die sich hinter Glas befanden. Familie. Gesichter. Ruth zwang ihre Knie, nicht nachzugeben. Sie stieß gegen die Wand. Zwei der Bilder fielen herunter. Cam wich zu spät aus und zertrat eines davon.
    Newcombe bog oben links ab und betrat ein Kinderzimmer. An den blau gestrichenen Wänden hingen zwei Poster in Schwarz und Silber. Football-Spieler. Die Lichtstrahlen der Taschenlampen tanzten hierhin und dorthin. Cam schloss die Tür. Newcombe

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