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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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Navy benutzt worden waren, aber es konnte nicht sonderlich schwer sein, den Gegner abzuhören. Oder sogar mit ihm zu reden.
    Lucy McKay war hier, um die Nachrichten, die aus Leadville kamen, zu dechiffrieren und ihre eigenen Berichte zu verschlüsseln. In der Stadt gab es Tausende von Spezialisten wie sie, die den Funkverkehr quer über den Kontinent nach Strukturen und Anhaltspunkten durchkämmten. Dazu Tausende von weiteren Spezialisten, die sich eingehend mit abgefangenen Botschaften aus aller Welt beschäftigten. Ein Großteil der zivilen und militärischen Nachrichtensatelliten umkreiste noch die Erde, und Leadville hatte ein Überangebot an technischem Personal von Behörden wie NSA, CIA, DIA und FBI sowie kleineren Geheimdienst- oder Staatspolizei-Gruppierungen.
    Den Rebellen standen diese Experten ebenfalls zur Verfügung. Hacker auf beiden Seiten hatten sich wilde Datenschlachten geliefert, um die Satelliten auszuschalten, wieder in Betrieb zu nehmen oder zu zerstören. Der Nachrichtenkrieg war ebenso real wie der Kampf mit Bomben und Granaten.
    Hernandez saß ruhig neben Gilbride und zwang sich, keinen Blick auf das Funkgerät zu werfen. Hatte McKay womöglich etwas gehört, das sie nicht hören sollte? Konnte es vielleicht sein, dass sie selbst sendete? Er war oft stundenlang draußen am Berg, und es gab in diesem gottverlassenen Camp so verdammt wenig zu tun. Die Versuchung war sicher enorm. Man hatte sie als Funkerin ausgebildet; nur aus diesem Grund war sie ihm zugeteilt worden. Und für ihn stand fest, dass sie und Gilbride ein Geheimnis hatten.
    Hernandez atmete den Kaffeeduft tief ein. Er zögerte, den Becher ganz auszutrinken. Der Inhalt hatte sich inzwischen abgekühlt, aber der Geschmack auf der Zunge war ein Luxus, ebenso wie das starke, bittere Aroma. In gewisser Weise schmerzte dieser Genuss. Er berührte die Einsamkeit in seinem Innern, die er ständig zu verdrängen versuchte.
    Erneut watete er vorsichtig in die Stille. »Wir schaffen das«, sagte er. »Wir sind noch immer durchgekommen, oder?«
    Gilbride nickte nur, um seine Stimme zu schonen.
    »Sie wissen genauso gut wie ich, dass dieser Hügel am Arsch der Welt liegt«, fuhr er fort. »Das ist eine Art Urlaubsparadies.« Hernandez lachte trocken, weil auch ihm diese Vorstellung plötzlich ganz absurd erschien. »Wir sitzen hier vermutlich den ganzen Krieg aus.«
    Er redete Blödsinn. Er hatte Angst, und Gilbride wandte den Blick ab, als schämte er sich für ihn.
    Offensichtlich mehrten sich die kritischen Stimmen in der Truppe. Die Frage lautete nicht mehr, ob es Probleme gab, sondern wie groß sie waren. Dass die Unzufriedenheit das Kommandozelt erreicht hatte, sprach Bände.
    Drüben bei Bunker 5 hatte ihn Gilbride allem Anschein nach vor einer Konfrontation bewahrt, die schon an offenen Widerstand grenzte. Kotowychs Unfall konnte der Auslöser gewesen sein. Je mehr Kranke und Verletzte es gab, desto schneller würde es zu einer Meuterei kommen. Tunis hatte ausgesprochen, was viele seiner Soldaten dachten. Sie hatten genug von der Plackerei. Sie wollten weg von hier. Ein Glück, dass Gilbride so schnell vom Zorn der Truppe erfahren und ihn abgefangen hatte.
    Hernandez trank seinen Becher leer, löste sich von der warmen Schulter des Freundes und stand auf. Auf dem Weg zum Ausgang kämpfte er mühsam gegen seine Enttäuschung an. Aber er steckte keine Waffe ein. »Ich danke Ihnen«, sagte er leise. Dabei sah er nicht Gilbride, sondern die grüne Zeltbahn an. Dennoch versuchte er den schlichten Worten ein besonderes Gewicht zu verleihen.
    »Sir«, begann Gilbride mit rauer Stimme.
    Hernandez unterbrach ihn. »Ich brauche frische Luft«, sagte er. »Nur eine Minute, dann bin ich wieder da.« Tut mir leid, hätte er beinahe noch angefügt, aber er fürchtete, dass Gilbride eine Entschuldigung falsch auslegen könnte. Ihr kurzes Gespräch war erst der Auftakt gewesen. Dessen war er nun sicher.
    Er zog den Reißverschluss auf und schlüpfte ins Freie. Der unvermittelte Temperaturabfall ließ ihn zusammenzucken. Wind war aufgekommen, und die unsichtbare Kälte wirbelte durch den grob behauenen Graben. Rasch schloss er von außen die Klappe. Halb hatte er befürchtet, dass ihm Gilbride folgen würde. Aber nein. Gott sei Dank. Und auch draußen hielt ihn niemand auf. Also befand sich alles noch im Anfangsstadium.
    Frank Hernandez entfernte sich mit langen Schritten vom Bunker. Er fühlte sich wie jemand, der die Flucht ergriffen hatte.

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