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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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sind.«
    Der Einwand war zwar vernünftig, aber Hernandez holte seine Uhr aus der Jackentasche und warf einen Blick darauf. 13 Uhr 21. Zu früh, um Schluss zu machen – und wenn er es tat, musste er einen Boten losschicken, der die Schufterei für alle beendete. In diesem Fall gab er der morgigen Schicht am besten auch früher frei, sonst meckerten die Leute. Und das wiederum bedeutete zwei verlorene Arbeitsnachmittage. »Also schön«, sagte er. »Aber dann pfeifen wir alle zurück.«
    »Kein Problem«, entgegnete Gilbride.
    Der Kommandobunker sah genauso aus wie die Mannschaftsunterkünfte: ein Graben, darüber zwei verbundene Zelte, und das Ganze von einem Schutzwall aus Felsbrocken umgeben. Man hatte ihnen weder Holz noch Stahl zur Verfügung gestellt. Sie waren ohnehin gezwungen gewesen, Unmengen von Zeug den Berg hinaufzuschleppen. Also besaßen die Unterstände keine Dächer und boten auch keinen besonders guten Schutz gegen Raketen und Maschinengewehre.
    Oder gegen Schnee. In dieser Höhe konnte es zu jeder Jahreszeit schneien.
    Einen Vorteil besaß die Kälte doch. Nach dem Aufschichten der Felswälle hatten sie Erde in die Ritzen geschaufelt und mit Urin übergossen. Die gefrierende Flüssigkeit verband Erde und Stein wie Zement. Trinkwasser war zu kostbar, obwohl sie acht ergiebige Quellen und Sickerbäche in der Umgebung entdeckt hatten.
    »Ich habe frischen Kaffee gekocht«, sagte Gilbride, während er den Reißverschluss zum Eingang des langen Zelts aufzog.
    Ihr Zuhause war düster und vollgestopft mit Waffen, Schlafsäcken und einem Toiletteneimer, der in der dünnen, beißend kalten Luft praktisch geruchlos war. Zur Überraschung des Majors befand sich nur Navy-Funkerin McKay im Zelt. Sie beugte sich dicht über ein zerfleddertes Taschenbuch, das in zwei Hälften gerissen war, damit es zwei Leute gleichzeitig lesen konnten, und schaute kaum auf, als sie hereinkamen. Dann bemerkte sie Hernandez, und etwas wie Furcht flackerte in ihren braunen Augen auf.
    »Sir«, sagte sie. »Guten Tag, Sir.«
    »Was Neues hereingekommen?«
    »Nein, Sir.«
    Aber auch sie wirkt nervös, dachte er.
    Ihre Einrichtung bestand aus Metall-Munitionskästen und einer großen Holzkiste, die er als Schreibtisch und die anderen als Küche benutzten. Gilbride hatte ihren Zwei-Flammen- Gaskocher hervorgeholt, einen Coleman, der aus privaten Beständen stammte. Es war zwar gegen die Sicherheitsvorschriften, im Unterstand zu kochen, nicht nur wegen der Brandgefahr, sondern auch wegen einer möglichen Kohlenmonoxid-Vergiftung, aber kein Mensch hielt sich lange im Freien auf, wenn er nicht gerade Schicht hatte. Hernandez hatte auch diese Vorschrift nicht durchzusetzen versucht, sondern nur seinen Unteroffizieren eingeschärft, dass sie die Soldaten zu einem gründlichen Lüften der Zelte anhalten sollten, bevor sie einen Gaskocher in Betrieb nahmen.
    »McKay, ich brauche Sie für einen Botengang«, sagte Gilbride heiser. »Richten Sie den Leuten am Berg aus, dass sie für heute Schluss machen können. Kurzschicht.«
    McKay nickte. »Aye, aye, Sarge.«
    Sie ist erleichtert, dass sie verschwinden kann, dachte Hernandez. Und wo ist Anderson? Er wusste, dass nur Bleeker und Wang oben an der Felswand arbeiteten. Gilbride hatte alles zu gut vorbereitet. Das Drum und Dran war perfekt. Inzwischen hatte die Nervosität auch Hernandez erfasst.
    Schlechte Nachrichten, dachte er.

6
    Hernandez fühlte sich, als sei er in ein Minenfeld geraten. Er konnte nur warten. Lucy McKay blieb gerade lang genug, um sich Kaffee in einen Isolierbecher zu zapfen. Dann trat sie gebückt ins Freie und zog mit einem Ratsch den Reißverschluss des Zelteingangs hinter sich zu.
    Gilbride wandte sich einem Stapel von Päckchen mit Feldverpflegung zu. Die meisten waren aufgerissen und leer – gegessen oder getauscht. »Zucker?«, fragte Gilbride.
    »Gern. Danke.« Die ganze Kaffeezeremonie war ungewöhnlich, nicht die kameradschaftliche Geste an sich, sondern die Extravaganz, die sie umgab – was sie heute verprassten, würde ihnen morgen fehlen. Wenn es überhaupt ein Morgen gab. Während sie ihren Kaffee im kühlen grünlichen Licht des Zelts tranken, fasste Hernandez diesen Gedankengang bewusst in Worte. »Mal richtig üppig leben, was? Falls man das hier denn als leben bezeichnen kann.«
    »Tja.« Gilbride schepperte mit zwei Töpfen und einer Feldflasche herum, die ihm nichts getan hatten. »Wir werden bald Nachschub brauchen. Das hier war unser letzter Kaffee.

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