Plastikfreie Zone
hängen. Entsetzt gehe ich dazwischen und will ihm eine meiner Stofftaschen anbieten, was bei ihm allerdings wenig Freude auslöst »Bitte! Wir haben schon genug Aufsehen erregt«, zischt er mir zu und packt dabei seine Sachen seelenruhig weiter in das nagelneue Plastiksackerl.
Beide sind wir heilfroh, als wir den Supermarkt endlich verlassen können. Jeder auf seine Weise.
Im Kaffeehaus entspannt sich die Stimmung schnell, und es zeigt sich, dass mein Nachbar unser Experiment eigentlich recht interessant findet, wenngleich er nicht alles ganz so dramatisch sieht. Beim Thema Milchflaschen, von dem ich ihm berichte, vertritt er die Meinung, dass die Ökobilanz von Tetrapacks insgesamt besser sei als die von Pfandglasflaschen. Ich wende ein, dass, selbst wenn er recht haben sollte, immer noch die gesundheitlichen Aspekte gegen Plastik sprächen. Was er wiederum für Panikmache hält. Im Endeffekt gebe es heutzutage so viel Gift in der Umwelt, dass wir dem ohnehin nicht entkommen könnten, meint er. »Ich habe jedenfalls keine Lust, mir zusätzlich über das Gift in Plastikstoffen Gedanken zu machen! Das führt höchstens dazu, dass meine Psyche auch noch krank wird. Zu Tode gefürchtet ist ebenfalls gestorben!«
Natürlich weiß ich, dass viele so denken wie er, und schließlich ist meine Oppositionshaltung in Bezug auf Plastik ebenfalls noch ziemlich neu. Gut möglich, dass ich vor kurzer Zeit ganz ähnlich reagiert hätte wie er, denn früher habe ich die potenziellen Gefahren, die von Kunststoffprodukten ausgehen, auch nicht wirklich ernst genommen.
Dennoch versuche ich nun Überzeugungsarbeit zu leisten, gebe zu bedenken, dass Chemikalien, die bei der Produktion von Kunststoffen eingesetzt werden, sogar in unseren Hormonhaushalt eingreifen, bei Fischen zu Geschlechtsumwandlungen führen und bei Menschen unter Umständen Unfruchtbarkeit, Diabetes oder Krebs auslösen. Und deshalb, argumentiere ich, sollten meiner Meinung nach zumindest Lebensmittel nicht in Materialien verpackt werden, aus denen giftige Stoffe freigesetzt werden können. Ich würde Rudi gerne vermitteln, dass sowohl die gesundheitlichen Aspekte als auch die Müll- und Ressourcenproblematik für sich allein betrachtet Grund genug sein müssten, Plastik wo immer möglich zu vermeiden.
Doch mein Nachbar scheint relativ resistent gegen solche Horrorvisionen zu sein. Außerdem äußert er Skepsis, ob Papier als Verpackungsalternative wirklich so toll sei. Schließlich kämen bei der Papierherstellung ebenfalls schädliche Chemikalien zum Einsatz. »Denk mal an Bleichmittel«, sagt er und fügt gleich hinzu, dass Druckerschwärze ebenfalls nicht unbedingt gesund sei.
Seine Argumente geben mir zu denken, obwohl ich nach wie vor das Papier unter Umweltaspekten für besser halte, weil es sich zumindest problemlos recyceln lässt und zudem aus einem nachwachsenden Rohstoff erzeugt wird. Trotzdem will ich berechtigte Einwände nicht in den Wind schlagen. Schließlich ist es nicht Sinn der Sache, das eine Übel durch ein anderes zu ersetzen. Unser Experiment soll ja dazu dienen, sinnvolle Alternativen zu finden.
»Wahrscheinlich hast du recht. Man muss sich wirklich genau überlegen, welches Material in welchem Fall mehr Sinn macht«, gestehe ich nachdenklich ein. »Das ändert allerdings nichts daran, dass wir generell mit allen Verpackungsarten weitaus sparsamer umgehen sollten. Nimm doch mal unsere Geschirrspültabs: Warum müssen die, wenn sie in einem Karton sind, zusätzlich einzeln in Plastikfolie eingeschweißt werden?«
»Na ja, man kann es auch anders sehen. Wenn man bedenkt, was für Chemiebomben in so einem Tab stecken, dann ist es vielleicht besser, die Dinger nicht mit bloßen Händen anzufassen. Wer sich Sorgen um seine Gesundheit macht oder der Umwelt was Gutes tun will, sollte auf das ganze Zeug verzichten.« Ich bin verblüfft, Rudi so gnadenlos kritisch zu erleben, vor allem als er auch noch nachsetzt: »In diesem Fall dürfte der Inhalt wohl das weitaus größere Übel als die Verpackung sein.«
Wieder etwas, worüber ich nachdenken müsste, denn diesem von Rudi behaupteten Zusammenhang habe ich bei meiner Suche nach plastikfreien Alternativen bisher nicht allzu viel Bedeutung beigemessen. Was sich ändern sollte, weil ich in den nächsten Monaten noch oft an diesen Satz meines Nachbarn erinnert würde.
Nachdenkliches von Veronika
Kaum bin ich zu Hause angekommen, ruft Veronika an. Sie ist wie ich Physiotherapeutin, und ich habe
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