Plastikfreie Zone
sich Detailfragen plötzlich wie ein Berg vor mir auf. Die Aktion insgesamt sowieso. Schließlich musste unser Alltag ganz nebenbei reibungslos weiterlaufen. Ich beschloss, bevor das Filmteam samt Helfern anrückte, unseren aktuellen Plastikbestand wenigstens zu sichten, um später unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
Peter war allerdings anderer Meinung. Er fand, dass wir vor der offiziellen Räumung gar nichts verändern sollten, sonst sei es ja nicht authentisch, aber ich konnte mich so weit durchsetzen, vorbereitend wenigstens zusammenzuräumen. »Sonst dauert das ja Tage und nicht nur einen Nachmittag wie geplant«, argumentierte ich.
Gesagt getan. Ein paar Tage später machen Peter und ich uns an die Arbeit. Wir beginnen in der Küche, wo mein Mann es besonders auf meinen Tupperwareschrank abgesehen hat, der, von oben bis unten mit verschiedensten Arten von Plastikgeschirr und -behältern vollgestopft, seit jeher eines von Peters persönlichen Feindbildern darstellt. Was nicht unwesentlich damit zusammenhängen dürfte, dass so gut wie jeder Versuch, ein Stück herauszuholen, mit einer kleinen Plastiklawine endet, die sich auf unseren Küchenboden ergießt.
Dennoch konnte ich meinen Tupperwareschrank bisher immer erfolgreich gegen Übergriffe verteidigen, sobald er seine unmissverständlichen Drohungen ausstieß. »Jetzt schmeiß ich das ganze Plastikklumpert einfach raus!« – »Das braucht doch kein Mensch, das gehört alles entsorgt!« Manchmal reichten schon ein leichtes Zischen, der veränderte Tonfall, die stark vertieften Stirnfalten, um mir zu signalisieren, dass meine Plastikschätze sich in größter Gefahr befanden. Ja, mehr noch als uneinsichtigen Autofahrern gegenüber hat mein Mann in Bezug auf dieses Tupperwarekasterl eindeutig einen gewissen Hang zur Radikalität entwickelt. Deshalb werde ich auch den Verdacht nicht los, dass er der ganzen Hausräumaktion primär nur zugestimmt hat, um diesen Störfaktor ein für alle Mal zu eliminieren.
Außerdem bin ich mir relativ sicher, dass er seine Drohungen schon längst in die Tat umgesetzt hätte, wenn er nicht selbst ein Sammellager verteidigen müsste. In dem ehemaligen Stallgebäude, das auf unserem Grundstück steht, hortet er nämlich seit unserem Einzug vor etwa zehn Jahren unter anderem alte Elektrogeräte, Computer beziehungsweise einzelne Teile, Radios, Schalter, Kabel, Motoren in verschiedenen Größen, kurz die verschiedensten Arten von Elektroschrott. Als Absolvent einer Höheren Technischen Lehranstalt für Elektrotechnik sieht Peter das naturgemäß anders. Zwischen unseren beiden »Sammlungen« jedenfalls herrscht so etwas wie ein Gleichgewicht des Schreckens. Beide Bestände sind kontinuierlich gewachsen, kommen aber bloß selten zum Einsatz.
Wie selten, das merke ich jetzt, als ich mich von vorne nach hinten durch mein überbordendes Tupperarsenal wühle. Je weiter ich mich zu den rückwärtigen Stapeln vorarbeite, desto weniger kann ich mich an den letzten Einsatz erinnern, bis ich schließlich auf Behälter stoße, von denen ich kaum noch weiß, dass sie sich in meinem Besitz befinden. Wie etwa die dreiteilige, in verschiedenen Grüntönen gehaltene Puddingform, die dort seit Jahren ihr Dasein fristet, ohne auch nur ein einziges Mal gebraucht worden zu sein.
In Wien habe ich Werner Boote – ohne unser reichhaltiges Lager zu erwähnen – gezielt nach Tupperware gefragt, das schließlich auf dem Plastikmarkt als Inbegriff von Qualität gilt. Ob diese Produkte nicht vielleicht doch frei von Schadstoffen seien, wollte ich wissen. Seine Antwort war eindeutig: »Der Tupperware-Chef eines europäischen Landes hat mir erklärt, dass sie natürlich ebenfalls Weichmacher und so weiter verwenden, weil es sonst nicht funktionieren würde. Allerdings sind die anderen, die Tupperware nachmachen, vermutlich viel schlimmer.«
Während ich eine alte orangefarbene Plastikbox öffne, um den Inhalt zu inspizieren, steht Peter plötzlich hinter mir. Er versucht erst gar nicht, seinen Triumph zu verbergen, als ich weiße Einmalplastikgabeln auspacke und mit einem Anflug von Verzweiflung frage. »Wo sollen wir das ganze Zeug nur hintun?«
»Na, weg natürlich, was sag ich denn seit Jahren?«
»Weg, weg – was soll das heißen? Wir können schließlich nicht den ganzen Plastikberg einfach wegschmeißen! Was glaubst du, was da zusammenkommt? Das sind Unmengen! Das ganze Haus ist voll davon. Und überhaupt: Ich wüsste nicht mal, wo man das
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