Plastikfreie Zone
konnte ich das bloß vergessen? Noch dazu, wo dieses Thema eine ständige Konfliktquelle in unserer Familie darstellt. Denn obwohl unsere Kinder jedes Jahr zu Schulbeginn mit allem notwendigen oder obligatorischen Material ausgestattet werden, müssen andauernd irgendwelche neuen Dinge besorgt werden, weil die Sachen entweder kaputtgehen oder verschlampt werden. Deshalb habe ich bisher versucht, unseren Bedarf überwiegend mit preiswerten Sachen zu decken, was dazu führte, dass sich eine beachtliche Menge von qualitativ minderwertigen Filz- und Buntstiften, Linealen und Spitzern angesammelt hat, die in einer großen Plastikbox mit einigen wenigen noch brauchbaren Gegenständen herumliegen.
Da die billigen Stifte meist nur in großen Plastiketuis verkauft werden, befinden sich mittlerweile auch davon einige in unserer Sammelbox. Es ist ein Dilemma: Der ständige Neuerwerb von qualitativ schlechtem Schulbedarf bewirkt, dass sich einerseits immer mehr Müll bei uns ansammelt und die Kinder andererseits sehr oft keine funktionstüchtigen Utensilien zur Verfügung haben. Ich beschließe, das für die Zukunft zu ändern, zumal die bisherige Vorgehensweise letztlich nur Nachteile hat. Finanziell betrachtet ist sie trotz des Schnäppcheneffekts ein Fiasko, unter Umweltaspekten führt sie zu unnötigem Plastikmüll, und der eigentliche Zweck, ordentliches, gebrauchsfähiges Material zu liefern, wird überdies nicht erfüllt.
Ich nehme mir vor, mich bei nächster Gelegenheit ausführlicher mit dem Thema zu befassen und mich auch wegen plastikärmerer Alternativen in diesem Bereich kundig zu machen. Vorläufig begnüge ich mich damit, den Inhalt der hässlichen Plastikbox nach brauchbaren Teilen zu durchsuchen und den Rest zu entsorgen. Angesichts der Tatsache, dass ich einiges davon erst einige Wochen zuvor gekauft habe, eine eher frustrierende Aktion, deren einziger positiver Nebeneffekt darin besteht, dass der am Ende verbleibende Rest in einer relativ kleinen Holzschatulle Platz findet.
Aktion Plastik raus
Ende Oktober: Etwas mehr als ein Monat ist vergangen, seit wir uns für das Experiment entschieden haben. Jetzt ist es so weit: Werner Boote und Thomas Bogner haben ihr Kommen angekündigt. Gleich nach dem Mittagessen werden sie mit vier Mitarbeitern anrücken, um die Befreiung unseres Hauses von Plastik zu unterstützen und filmisch festzuhalten.
Aufgrund meiner Vorarbeiten, von denen ich mich nicht habe abbringen lassen, steht ein Teil unseres Plastikinventars bereits in Kisten und Schachteln zum Hinaustragen bereit, was sich im Nachhinein in der Tat als Segen erweist. Trotz der süffisanten Bemerkungen meines Mannes, damit würde ich jegliche Authentizität zerstören, sind alle angesichts der nicht unbeträchtlichen Restbestände ausgesprochen erleichtert. Wobei Thomas Bogner allerdings anfangs die Gesamtmenge unserer Plastikschätze gewaltig unterschätzt hat. In einer Stunde sei alles so weit vor dem Haus aufgebaut, dass gefilmt werden könne, so seine erste optimistische Prognose. Da hatte er noch keine Ahnung, was sich alles in diversen Kästen, Kommoden, Schubläden und in unserem Stallgebäude verbirgt.
Ständig werden neue Dinge zutage gefördert, nicht zuletzt in den Kinderzimmern, die wir unserer Meinung nach doch besonders gründlich ausgemistet haben. In einer Kommode etwa entdecke ich hinter Matchboxautos und einem großen Feuerwehrwagen lauter kleinen Plastikkrimskrams wie Figürchen aus Überraschungseiern, Geschenke von Weltspartagen, Werbeaktionen oder Gewinnspielen. Lauter unnützes Zeug, das ausgepackt und mit Glück zusammengebaut wurde, um dann für immer in den Tiefen irgendwelcher Kästen zu verschwinden. Wehe aber, ich habe versucht, etwas von diesen Dingen zu entsorgen! Dann brach sofort Geschrei los, und alle stürzten sich auf die kleinen Spielsachen, nur um sie bei nächster Gelegenheit wieder in eine Ecke zu werfen.
Jetzt sehe ich die Gelegenheit gekommen, das Zeug heimlich verschwinden zu lassen – nur Leonard, der wegen seiner Ritterburg ständig mit argwöhnischem Blick ins Kinderzimmer gelaufen kommt, hätte meinen Plan um ein Haar durchkreuzt. Zum Glück denkt er jedoch nur an seine kostbare Burg. Er will sie nämlich erst ganz zum Schluss eigenhändig hinaustragen und sofort nach Beendigung der Dreharbeiten wieder in sein Zimmer bringen.
Nach circa zwei Stunden quillt der Platz vor unserem Haus bereits über. Wir verzichten deshalb darauf, zusätzlich alle Elektrogeräte und
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