Plastikfreie Zone
belastet sein, bildete sozusagen das Tüpfelchen auf dem i und beendete meine ohnehin schon recht gedämpfte Konsumlust.
Nicht zuletzt deshalb beschloss ich, erst einmal die vorhandenen Sachen aufzutragen, wobei Peter mir ein schier unerreichbares Vorbild ist. Er trägt seine T-Shirts und Jeans buchstäblich, bis sie ihm vom Leib fallen, und wenn ich einige seiner ältesten Stücke nicht vor einigen Jahren heimlich entfernt hätte, würde er wahrscheinlich noch heute mit dem Fledermausshirt und der Latzhose aus den Achtzigerjahren herumlaufen. So krass wollte und will ich es allerdings nicht treiben, obwohl der Vorrat in meinem Kleiderschrank bestimmt für die nächsten zwanzig Jahre reichen würde.
Als erste Maßnahme, um ein akutes Aufleben meiner Schnäppchenkauflust zu verhindern, vereinbarte ich mit Sabine, die die gleiche Kleidergröße trägt wie ich, gelegentlichen Kleidertausch. Außerdem nahm ich mir meine Kiste mit den ausgemusterten Stücken vor, um aus den alten Teilen vielleicht etwas Neues zu nähen. Immerhin habe ich inzwischen schon einige Hosen, deren Schnitt nicht mehr ganz modern war, umgeschneidert. Anfangs war mir gar nicht so bewusst, welches Einsparpotenzial sich durch solche Altbestände ergibt.
Insgesamt ist fast der gesamte Textilbereich für mich so etwas wie ein »schwarzes Schaf« geworden. Das Angebot ist einfach zu groß und die Qualität vielfach zu schlecht, und zwar ganz unabhängig vom Material. Das Hauptproblem aber sind wir selbst, weil wir konsumieren, ohne nachzudenken, und viel zu viel, viel zu billig und deshalb natürlich hauptsächlich minderwertiges Zeug kaufen. Bei einem Vortrag am Grazer Institut für Umweltsystemwissenschaften habe ich gerade erst gehört, dass pro Jahr weltweit allein 80 Milliarden T-Shirts erzeugt werden, mehr als zehn also im Schnitt für jeden Erdenbürger. Wer soll das nur alles anziehen? Und viel wichtiger: Wer soll den Schaden, der dadurch an Umwelt und Gesundheit entsteht, bezahlen?
Es geht mir wirklich nicht darum, in Zukunft bloß noch in alten Kartoffelsäcken herumzulaufen. Alle, die mich ein bisschen besser kennen, wissen, dass ich dafür ganz und gar nicht der Typ bin. Aber durch unser Plastikexperiment wurde ich doch sehr stark sensibilisiert für Konsumfallen insgesamt, in die ich vorher teilweise recht unbekümmert hineingetappt bin. Vor allem habe ich gelernt, die Qualität wieder in den Vordergrund zu stellen. Zum Glück gibt es inzwischen einige gute Alternativen. Neben Secondhandshops, die ich seit jeher frequentierte, gehört Ökokleidung dazu, die mittlerweile glücklicherweise zum größten Teil ohne Kartoffelsacklook zu haben ist. Wenn man diese beiden Möglichkeiten sinnvoll kombiniert und ganz allgemein weniger einkauft, kann man sich nicht nur eine Menge an Schadstoffen ersparen, sondern zusätzlich Ressourcen und Geldmittel schonen.
Allerdings gilt auch hier für mich der Grundsatz, dass Perfektionismus nicht guttut und Kompromisse das Gebot der Stunde sein können. Angesichts des stolzen Preises meiner Reinseidenen, die trotzdem nicht länger halten werden als Strumpfhosen aus Nylon, heißt das konkret, dass ich in Zukunft sicher gelegentlich auf die nicht experimentkonforme Variante zurückgreifen werde, wenn ich zum hübschen Kleid hauchzarte Beinbekleidung brauche.
Für die Verleihung eines Umweltpreises jedoch fand ich die Ausgabe angemessen, wenngleich mein Outfit im Endeffekt nicht 100-prozentig kunststofffrei war. Seidenstrümpfe und Kleid aus Viskose ja, nicht aber die Sohlen meiner Schuhe und der Besatz meines Mantels. Aber für meinen Geschmack hatte ich genug Geld ausgegeben, und so hoffte ich, dass niemandem diese Details auffallen würden. Zumindest bei den bisherigen Veranstaltungen war das Material meiner Schuhsohlen noch nie ein Thema.
Wir überreichten Werner Boote schließlich den Planeten aus Papiermaschee, Golddraht und Holz. Ich fand, dass Peter ein echtes Meisterstück gelungen ist, und auch der Preisträger zeigte sich bei der Übergabe ziemlich gerührt. Der ganze Abend war für mich so etwas wie der krönende Abschluss unseres ersten plastikfreien Jahres und natürlich auch Anlass für eine Rückbesinnung auf den Ausgangspunkt des Projekts.
Beim anschließenden Empfang erfuhren wir sehr viel Zuspruch und Interesse und lernten wieder einmal eine Menge interessanter Menschen kennen, von denen sich niemand für die Sohlen meiner Schuhe interessierte, zum Glück. Der einzige kleine
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