Plastikfreie Zone
nach unangebrachte mediale Präsenz auslässt. Auf meinen Vorschlag, für unsere Region ein Stofftaschenprojekt zu starten, geht er hingegen mit keinem Wort ein. Nachdem sich mein erster Ärger gelegt hat, beschließe ich, seine verbalen Angriffe nicht persönlich zu nehmen und mich nicht länger zu ärgern. Ja, ich gestehe ihm gegenüber sogar ein, dass mir im Augenblick kein besseres Projekt zum Thema Müllvermeidung einfällt, sei aber dankbar für jede Anregung.
Ich erhalte keine Antwort, und auch bei der nächsten Gemeinderatssitzung äußert sich niemand dazu. Das Thema wird auf den nächsten Termin vertagt, der allerdings frühestens in zwei Monaten sein wird.
Eigentlich habe ich die ganze Sache bereits mehr oder weniger abgeschrieben, als mir kurz nach Silvester wieder einmal der Zufall zur Hilfe kommt. Wie im Vorjahr verbringen wir den Jahreswechsel in der Hütte am Stoderzinken gemeinsam mit Sonja und Gerhard und ihrem inzwischen acht Monate alten Felix. Da wir dort oben nicht fernsehen können und kaum Radio hören, erfahre ich erst durch den Anruf eines mir bekannten Zeitungsredakteurs von einem hochinteressanten Ereignis, das für mich von äußerster Brisanz ist. In Italien wurde ein Verbot von Plastiksäcken und -taschen erlassen, und beim Einkaufen sollen künftig nur noch Bioplastikprodukte gegen Bezahlung erhältlich sein. Offenbar ist man dort die Verschmutzung von Stränden und Meer durch Plastikmüll sowie die horrenden Müllberge wie jüngst in Neapel leid.
Wer jedoch geglaubt hat, Österreich würde dem Nachbarn rasch nacheifern, der sieht sich getäuscht. Der Herr Umweltminister persönlich fühlt sich bemüßigt festzustellen, dass es in Österreich keinen Bedarf für so ein Gesetz gebe. Man habe kein Müllproblem, weil hierzulande Recycling bestens funktioniere.
Marlene kann darüber nur lachen: »So ein Blödsinn! Den lade ich einmal zu unserer Flurreinigung ein, dann wird er schon sehen, was für ein Müllproblem wir haben.« Recht hat sie, und die Kurzsichtigkeit dieser Argumentation regt mich ebenfalls ziemlich auf. Selbst wenn Recycling bei uns besser funktionieren sollte als in Italien, ändert das nichts daran, dass ein Großteil des Plastikmülls »thermisch verwertet«, also verbrannt wird. Überdies geht es um den Bewusstseinsstand in der Bevölkerung, der in Österreich ebenfalls sehr zu wünschen lässt, nicht zuletzt beim Umweltminister. Das Mindeste, was man von ihm erwarten könnte, wäre doch, das Problem wenigstens einmal als solches zu erkennen und ernst zu nehmen.
Die Zeitungen allerdings greifen das Thema auf, wobei das Spektrum der Diskussionsbeiträge von »Ich verwende die Sackerl eh immer wieder« über »Verbieten bringt gar nichts« und »Ich nehme sowieso schon lange keine mehr« bis zu »Andere Sorgen haben wir wohl nicht« reicht. Ein, zwei Tage nach dem Verbot in Italien machen schon die ersten Rechenbeispiele die Runde, die zum Beispiel besagen, dass 15 Kilometer weniger Autofahrten pro Jahr mehr CO 2 einsparen würden, als das ganze Jahr auf Plastiksackerl zu verzichten.
Abgesehen davon, dass das Thema auf einen einzigen Faktor, nämlich das CO 2 , reduziert wird, zielen die meisten dieser Berechnungen darauf ab, den Status quo als unveränderbar zu sanktionieren. Wenn Franzi 15 Kilometer weniger mit dem Auto fährt, darf er dafür ohne schlechtes Gewissen weiterhin ein Jahr lang Plastiksackerln verschwenden, oder? Erinnert ein bisschen an den Ablasshandel der katholischen Kirche in früheren Zeiten und ändert sicher in keinem Bereich irgendetwas zum Besseren, obwohl natürlich, für sich betrachtet, jeder einzelne »gesparte« Autokilometer zu begrüßen ist. Doch halte ich es gelinde gesagt für hirnrissig zu glauben, jemand würde beim Autofahren sparen, damit er weiter seine Einkäufe in der Plastiktasche heimbringen kann.
Wenngleich mir unzählige Gründe einfallen, die absolut für ein Verbot von Plastiksackerln sprechen würden, scheint es mir sinnvoller, die Menschen zu einer freiwilligen Verweigerung zu bewegen. In diesem Sinne habe ich den drei in Sachen Abfallvermeidung bekannten »R« – Reuse, Reduce und Recycle – noch ein viertes »R« hinzugefügt: Refuse!
Jedenfalls bin ich nach der Rückkehr von unserem Winterurlaub stark motiviert, die Aktion mit den Stofftaschen wieder voranzutreiben. Und tatsächlich scheinen die Zeitungs- und Fernsehberichte der letzten Tage eine gewisse Wirkung zu zeigen. Nach einem Telefonat mit unserem
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