Plastikfreie Zone
Bürgermeister bekomme ich endlich Gelegenheit, das Projekt im Gemeinderat richtig vorzustellen. Überdies schlägt er vor, Stofftaschen zu bestellen und an jeden Haushalt eine zu verschicken. Das ist zwar gut gemeint, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass höchstwahrscheinlich genau das Gegenteil von dem eigentlich Bezweckten dabei herauskommen würde. Noch ein Stoffbeutel mehr, der nur zu Hause herumliegt. Menschen, die bislang keine verwendet haben, werden sich durch ein solches »Geschenk«, das ungefragt ins Haus kommt, kaum zu einer Abkehr von ihren bisherigen Gewohnheiten veranlasst sehen.
Die Veränderung beginnt eben nicht damit, dass man Stofftaschen besitzt, sondern dadurch, dass man sie verwendet! Und das setzt nun mal Bewusstseinsbildung und ein wenig Mitdenken voraus. Um das zu erreichen, scheint es mir unerlässlich, dass die Leute zu Hause nachschauen, wie viele Stofftaschen sie eigentlich besitzen und was sie gegebenenfalls für die Aktion spenden könnten. Unter Umständen bekommen sie später irgendwo sogar genau ihre Tasche zurück oder eine, die von ihren Kindern in der Schule gestaltet wurde. Ein Kreislauf, der meiner Meinung nach die Chance erhöht, dass die Tasche tatsächlich verwendet wird.
Ich schließe sogar Wetten ab, dass jeder Haushalt unserer Gemeinde mindestens eine Stofftasche besitzt – was sich wahrscheinlich genauso wie das Gegenteil nicht nachweisen lässt –, und nach eingehender Besprechung und Klärung von offenen Fragen wird beschlossen, dass unsere Gemeinde das Projekt als Vorschlag in die neue »Kleinregion«, der außer Eisbach drei weitere Gemeinden angehören, einbringen wird.
Kurz darauf fällt dann die Entscheidung, dass sich alle vier Gemeinden an der Aktion beteiligen wollen. Ein Logo gibt es mittlerweile auch, entworfen von einem befreundeten Grafiker, und der Name des Projekts wird etwas modifiziert: »Change bag – vom Kunststoff zum Echtstoff«.
Obwohl ich einerseits in absoluter Jubelstimmung bin, ist mir andererseits klar, dass jede Menge Arbeit auf mich zukommt. Für die Koordination des Ablaufs wird zwar ein Projektteam mit Mitgliedern aus allen vier Gemeinderäten gebildet, aber den Überblick und vor allem den persönlichen Kontakt zu Schulen, Kindergärten, Altersheimen und Geschäften muss ich in erster Linie selbst herstellen. Schließlich geht es ja zunächst einmal darum, möglichst viele für das Sammeln und Gestalten der Stofftaschen zu begeistern und den tieferen Sinn dieser Aktion zu erklären, was gar nicht so einfach ist.
Bei den Kindern reicht zum Glück meist schon die Ankündigung eines Weltrekordversuchs oder der Hinweis, dass die Taschen sonst nutzlos zu Hause herumliegen, doch bei vielen Erwachsenen fehlt oft das Verständnis dafür, dass sie Stofftaschen zuerst sammeln und spenden sollen, um sie dann irgendwo zurückzubekommen. Zum Glück zeigen sich die meisten Schulen und andere Einrichtungen der Region sehr interessiert, an der Gestaltung von Taschen und dem Ideenwettbewerb teilzunehmen.
So werden ebenfalls die vier Klassen von Leonards Volksschule einbezogen. Als ich dort die geplante Aktion erkläre, sind die Kinder hellauf begeistert, wollen mindestens je zwei Stofftaschen bemalen und natürlich zu Hause nachschauen, ob sie selbst welche spenden können, und überdies einen Bericht darüber schreiben, den sie mit dem über die anstehende Flurreinigung verbinden wollen. Diese findet in vielen Gemeinden regelmäßig im Frühjahr statt, und die Schüler schwärmen in Begleitung ihrer Lehrer und Lehrerinnen aus, sammeln allen Müll, den sie finden, in großen Säcken und bringen ihn anschließend ins Altstoffsammelzentrum.
Marlene hat sich zur Flurreinigung 2011 etwas ganz Besonderes überlegt. Da sie seit Jahren daran teilnimmt, weiß sie genau, welch unglaubliche Mengen an Müll allein in unserer Gemeinde gesammelt werden – und dass es innerhalb kürzester Zeit wieder genauso aussieht wie vorher. Zudem beschäftigt sie immer wieder die Frage, ob Tiere dadurch zu Schaden kommen. Deshalb war sie auch sehr erschüttert, als sie in Plastic Planet gesehen hat, dass Vögel und Fische elend zugrunde gehen, weil sie kleine oder auch größere Plastikteile für Futter halten und fressen. In diesem Zusammenhang konnte sie die Reaktionen unseres Umweltministers absolut nicht verstehen, der für Österreich keinen Handlungsbedarf in Sachen Plastik sah, und da sie bei verschiedenen Gelegenheiten ständig über dieses Problem zu
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