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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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Krankheit
,so der Name für die Epilepsie; Epileptiker, so glaubte man, seien von den Göttern heimgesucht. Doch dem Autor dieses Texts zufolge, möglicherweise Hippokrates selbst, hat die Epilepsie, wie alle anderen Krankheiten auch, eine natürliche Ursache und die Leute, die sie als »heilig« bezeichneten, wollten nur über ihre Unwissenheit hinwegtäuschen.
    Platons Haltung zum Studium der Natur zeigt sich an den Worten, die er Sokrates im
Phaidon
sagen lässt. Sokrates erzählt, wie er anfangs von Anaxagoras’ Begriff
nous
(Weltgeist) angezogen war. Doch schließlich wandte er sich enttäuscht ab, weil Anaxagoras das Element des Plans oder der Ordnung in der Natur nicht mit dem Weltgeist erklärte, sondern materialistische Gründe dafür nannte. »Und von dieser wunderbaren Hoffnung, o Freund, fiel ich ganz herunter, als ich fortschritt im Lesen«, sagte er, »und sah, wie der Mann mit der Vernunft gar nichts anfängt und auch sonst gar nicht Gründe anführt, die sich beziehen auf das Anordnen der Dinge, dagegen aber allerlei Luft und Äther und Wasser vorschiebt und sonst vieles Wunderliches.«
    Sokrates war von Anaxagoras und den anderen frühen Naturphilosophen enttäuscht, weil sie ihm zwar erzählten,
wie
sich alles abgespielt hatte, aber nicht
warum
. Sokrates war ja auf der Suche nach einer teleologischen Erklärung, die Beweise für einen Plan in der Natur liefern konnte, denn er glaubte, dass im Kosmos alles auf das Erreichen des bestmöglichen Ergebnisses ausgerichtet war. Platons eigene Auffassungen zur Wissenschaft finden sich vor allem im
Timaios
; hier stellt er eine Kosmologie vor, die, wie er sagt, sich nur entwickelt, »indem man der Form der Wahrscheinlichkeitsrede folgt.« Dennoch blieb der
Timaios
bis in die Zeit der europäischen Renaissance äußerst einflussreich.
    Im
Timaios
zeigt sich auch Platons Auffassung der Astrologie, wenn er von den »Sternen ohne Irrung« schreibt: »göttliche Wesen sind es und ewig«, eine Wendung, die sich in astrologischen Schriften des Mittelalters wiederfindet. Im
Staat
spricht er von derHarmonie der himmlischen Sphären. Dort sei »die Spindel der Notwendigkeit gespannt, vermittelst deren alle Umläufe gedreht werden«, womit er andeutet, dass die menschliche Seele den Bewegungen der Himmelskörper unterworfen ist.
    Am Eingang zur Akademie soll es eine Inschrift gegeben haben: »Lasst keinen der Geometrie Unkundigen hier eintreten.« Das geht vermutlich auf Platons
Staat
zurück; Sokrates meint hier, man müsse »auch vorschreiben, dass die Bürger in deinem Musterstaate in keiner Weise sich von der Geometrie fernhalten, denn selbst die Nebendinge dieses Gegenstandes sind nicht geringfügig«.
    Für Platon war die Mathematik eine Voraussetzung für das dialektische Verfahren, das zukünftigen Führungskräften das für das Regieren eines Staates notwendige philosophische Verständnis vermitteln sollte. Das Studium der Mathematik umfasste die Arithmetik, die Geometrie der Ebene und des Raumes, die Harmonik und die Astronomie. Zur Harmonik gehörte das Studium der Physik der Töne und die Analyse der mathematischen Beziehungen, wie sie die Pythagoreer offenbar bei ihren Forschungen zur Musik entwickelt hatten. Die Astronomie studierte man nicht nur wegen ihrer praktischen Anwendungen, sondern auch wegen der möglichen Aufschlüsse über die »wahren Zahlen« und die »wahren Regungen« hinter den sichtbaren Bewegungen der Himmelskörper.
    Platons wichtigster Beitrag zur Naturwissenschaft war sein Rat, die Erforschung der Natur, insbesondere der Astronomie, aus der Sicht der Geometrie anzugehen. Durch diese »Geometrisierung der Natur«, die nur in Disziplinen Anwendung fand, die sich so wie die mathematische Astronomie entsprechend idealisieren ließen, gelangte man zu Beziehungen, die so »gesichert« waren wie die in der Geometrie. Wie Sokrates im
Staat
bemerkt: »Lasst uns die Astronomie anhand von Problemen studieren, so wie in der Geometrie, und die Dinge im Himmel in Ruhe lassen.«
    Das größte Problem für die griechische Astronomie war die Erklärungder Bewegung der Himmelskörper – der Sterne, der Sonne und des Mondes sowie der fünf sichtbaren Planeten. Von der Erde aus betrachtet scheinen sich alle Himmelskörper täglich um einen Punkt am Himmel zu drehen, den sogenannten Himmelspol, der genau genommen eine Projektion des Erdnordpols in die Sterne ist. Dabei wird diese scheinbare Bewegung eigentlich durch die Achsendrehung der Erde in die

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