Platon in Bagdad
17 Jahren zog er nach Athen und schrieb sich an Platons Akademie ein; dort blieb er 20 Jahre lang. Nach Platons Tod im Jahr 347 v. Chr. zog Aristoteles nach Assos an der nordwestlichen Küste Kleinasiens, wo er in die Dienste des Tyrannen Hermeias trat. Hermeias war ein Schüler Platons und wollte in Assos den idealen Staat aufbauen, so wie er im
Staat
beschrieben war. Er lud Aristoteles und andere Schüler ein, dort zu unterrichten, darunter auch Theophrast von Eresos auf Lesbos.
Aristoteles blieb bis 344 v. Chr. in Assos, als Hermeias von den Persern hingerichtet wurde. Danach zog er auf die Insel Lesbos, wo er gemeinsam mit Theophrast die wegweisenden Studien der Botanik fortführte, die sie in Assos begonnen hatten. Ein Jahr später ging Aristoteles in die makedonische Hauptstadt Pella und trat als Lehrer des Königssohns und späteren Thronfolgers Alexander in den Dienst Philipps II.
335 v. Chr. kehrte Aristoteles nach Athen zurück, ein Jahr nachdem Alexander die makedonische Thronfolge angetreten hatte. Im selben Jahr gründete er im Apollon-Heiligtum Lykeion eine Schule, die der Akademie an Ruhm gleichkam. Bis zu Alexanders Tod 323 v. Chr. lehrte und forschte er am Lykeion, als ihn aufkommende antimakedonische Stimmungen zwangen, Athen zu verlassen und nach Makedonien zurückzukehren, wo er im darauf folgenden Jahr starb.
Aristoteles’ Werk hat enzyklopädische Ausmaße – es umfasst Arbeiten zu Logik, Metaphysik, Rhetorik, Theologie, Politik, Ökonomie, Literatur, Ethik, Psychologie, Physik, Mechanik, Astronomie, Meteorologie, Kosmologie, Biologie, Botanik, Naturkunde und Zoologie. Montaigne bezeichnete ihn deshalb als »Aristoteles, der alles umdenkt«.
Die Naturphilosophie des Aristoteles ist durch das Prinzip derTeleologie geprägt, also die Vorstellung, dass natürliche Vorgänge auf einen Zweck ausgerichtet sind. Am deutlichsten ist dies im zweiten Buch seiner
Physik
ausgeführt: »Die Thätigkeit aber hat einen Zweck, folglich hat auch die Natur diesen Zweck. Zum Beispiel wenn ein Haus zu dem von Natur Entstehenden gehörte, würde es eben so werden, wie jetzt durch die Kunst. Und könnte umgekehrt das Natürliche nicht nur durch Natur, sondern auch durch Kunst entstehen, so würde es eben so werden, wie es von Natur ist.«
Die Grundzüge der Substanztheorie des Aristoteles sowie seine Kosmologie gehen auf früheres griechisches Denken zurück, das zwischen der unvollkommenen und vergänglichen irdischen Welt unterhalb der Mondsphäre und der vollkommenen und ewigen Himmelsregion darüber unterschied. Von den milesischen Naturphilosophen übernahm er die Idee eines Urstoffs in der Natur und kombinierte diese mit Empedokles’ Theorie der vier irdischen Elemente – Erde, Wasser, Luft und Feuer –, denen er den
Äther
des Anaxagoras als Grundstoff der Himmelsregion hinzufügte.
Aristoteles zufolge ist der irdische Urstoff, den er
Protyle
nannte, völlig undifferenziert. Er ist bar jeglicher Eigenschaften, hat also keine konkrete Größe, Form, Ort, Gewicht, Farbe, Geschmack, Geruch oder Ähnliches und ist somit der ganz und gar eigenschaftslose Rohstoff, aus dem die Erde besteht. Nimmt dieser Stoff bestimmte Eigenschaften an, so wird er zu einem der vier irdischen Elemente, und durch weitere Entwicklungen nimmt er die Form der in der Welt sichtbaren Dinge an. Aristoteles beschrieb dies als Materie, die eine Gestalt annimmt. Die Materie ist der Rohstoff, die Form ist die Ansammlung aller Eigenschaften, die einem Gegenstand seinen unverwechselbaren Charakter verleihen. Diese beiden Aspekte des Seienden – Materie und Form – sind untrennbar und können nur in Verbindung miteinander existieren.
Aristoteles schrieb jedem der vier irdischen Elemente zwei Eigenschaften zu, jeweils eine von jedem der beiden Gegensatzpaare: warm – kalt und trocken – feucht. So war die Erde trocken und kalt,Wasser kalt und feucht, Luft feucht und warm, Feuer warm und trocken. Die Elemente waren nicht unveränderlich; ein jedes davon konnte sich in jegliches andere verwandeln, wenn eine oder beide ihrer Grundeigenschaften sich in ihr Gegenteil verkehrten.
Die Kosmologie des Aristoteles ordnete die vier Elemente nach ihrer Dichte, mit der unbeweglichen kugelförmigen Erde im Mittelpunkt. Diese war umgeben von konzentrischen Schalen aus Wasser (dem Ozean), Luft (der Atmosphäre) und Feuer, wozu nicht nur die Flammen gehörten, sondern auch außerirdische Erscheinungen wie Blitze, Regenbögen und Kometen. Die
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