Platon in Bagdad
der Kalif bei Ibn Tufail darüber, wie schwer ihm die Lektüre der Werke des Aristoteles fiel und dass er einen Kommentar zur Erläuterung brauche. Ibn Tufail, selbst zu altund zu beschäftigt für diese Aufgabe, schlug Ibn Ruschd vor, der daraufhin mit seiner monumentalen Aristoteles-Kommentierung begann.
Nach Ibn Tufails Tod wurde Ibn Ruschd Leibarzt von Abu Ya’qub Yusuf und zum
Qadi
ernannt, zunächst in Sevilla, dann in Córdoba und dann wieder in Sevilla. Auch unter Abu Ya’qub Yusufs Sohn und Nachfolger Abu Yusuf Ya’qub al-Mansur (reg. 1184 – 1199) behielt er seine Posten, allerdings verbannte ihn der Kalif 1195 für zwei Jahre in die Stadt Lucena bei Córdoba, weil fundamentalistische islamische Gelehrte seine philosophischen Lehren verurteilt hatten. Anfang 1198 rehabilitierte ihn der Kalif und nahm ihn mit an seinen Hof in Marrakesch. Doch Ibn Ruschd konnte seine Freiheit nur für kurze Zeit genießen, denn er starb im Dezember desselben Jahres. Seine sterblichen Überreste wurden zur Beisetzung nach Córdoba überführt.
Ibn Ruschds philosophische Schriften lassen sich in zwei Gruppen einteilen: die Aristoteles-Kommentare und die eigenen Abhandlungen zur Philosophie unter den Titeln
Die entscheidende Abhandlung und Urteilsfällung über das Verhältnis von Gesetz und Philosophie
,
Die Erklärung der Beweismethoden hinsichtlich der Glaubensvorstellungen der Religion
und
Die Inkohärenz der Inkohärenz
. Die letzte Schrift verfasste er als Widerspruch zu al-Ghazalis Angriff gegen die rationale Philosophie, besonders gegen die Werke von al-Farabi und Ibn Sina, die beiden führenden muslimischen Interpreten des Aristoteles. In Verteidigung des Aristotelismus zeigte Ibn Ruschd auf, wie al-Farabi und Ibn Sina häufig von den Ideen des Aristoteles abwichen, um den Disput zwischen muslimischen Theologen und Philosophen aufzulösen und die scheinbaren Widersprüche zwischen dem Koran und der Wissenschaft in Einklang zu bringen. In seiner Kommentierung unternahm er den Versuch, Aristoteles’ eigenen Ideen im islamischen Denken wieder zu ihrem Recht zu verhelfen und den Neuplatonismus von al-Farabi und Ibn Sina zu verdrängen. Er betrachtete die Philosophie des Aristoteles als das letzteWort, soweit der menschliche Verstand die Wahrheit überhaupt erfassen kann.
Maimonides war von Ibn Ruschds Schriften zutiefst beeindruckt und durch ihn auch andere jüdische Gelehrte, die seine Werke auf Arabisch lasen. Anfang des 13. Jahrhunderts galt Ibn Ruschd als der herausragende Interpret des Aristoteles. Seine Werke wurden ins Hebräische übersetzt, und bis zum Ende des Jahrhunderts war auch fast die Hälfte seiner Kommentare ins Lateinische übertragen worden, so dass er im Abendland als »der Kommentator« bekannt wurde.
Früheren arabischen Philosophen folgend interpretierte Ibn Ruschd den Begriff Schöpfung auf eine Weise, die nicht nur dem Menschen, sondern auch Gott einen freien Willen absprach. Ibn Ruschd zufolge war die Welt aus einer Hierarchie der notwendigen Ursachen entstanden, mit Gott beginnend und absteigend durch die verschiedenen die Himmelssphären bewegenden »Intelligenzen« in dieser Hierarchie. Jede der acht Sphären – der Sterne, der Sonne, des Mondes und der fünf Planeten – hatte ihre eigene körperlose Intelligenz, die als ihr eigenes »Objekt des Verlangens« diente, wie es Ibn Ruschd bezeichnete, weil jede ihre eigene, einzigartige Bewegung ausführte.
Ibn Ruschd akzeptierte Aristoteles’ Planetenmodell der homozentrischen Sphären und lehnte die ptolemäische Theorie der Exzentriken und Epizykel ab. Im Kommentar zu Aristoteles’
Metaphysik
berichtet er über seine astronomischen Forschungen und erklärt die vorherrschende ptolemäische Theorie zu einer mathematischen Fiktion, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun habe.
Im Kommentar zu Aristoteles’
Physik
griff er Ibn Baddschas Theorie der Bewegung an, insbesondere die Vorstellung, das Medium behindere die natürliche Bewegung. Stattdessen unterstützte er Aristoteles’ Theorie, dass die Geschwindigkeit eines Körpers proportional zu der auf ihn einwirkenden Kraft sei, geteilt durch die Widerstandskraft des Mediums. Beide Theorien sind allerdingsfalsch; die erste korrekte Erklärung lieferten erst Newtons Bewegungsgesetze von 1687.
Ibn Ruschds wichtiges Werk zur Medizin trägt den Titel
Al-Kulliyat
(Das Buch der Gesamtheiten), das auf Galens Schriften beruht. Eine enge Freundschaft verband ihn mit Ibn Zuhr, der ihm sein
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