Platon in Bagdad
verfasste wie auch Kommentare zur Bibel und zum Talmud. Er lebte in Orange und Avignon; beide Städte waren im Jahr 1306 nicht von der Vertreibung der französischen Juden durch Philipp den Schönen betroffen. Er pflegte auch gute Beziehungen zum päpstlichen Hof in Avignon, wie der Widmung eines seiner Werke an Papst Clemens IV. von 1342 zu entnehmen ist.
Levis bedeutendstes Werk war
Milhamot adonai
(Kämpfe Gottes), eine philosophische Abhandlung in sechs Büchern, von denen das fünfte der Astronomie gewidmet ist. Hier stellt Levi sein Modell des Universums vor, das auf verschiedenen arabischen Quellen beruht, vor allem al-Battani, Dschabir ibn Aflah und Ibn Ruschd. In einigen entscheidenden Aspekten wich sein Modell von dem des Ptolemaios ab, dessen Theorien nicht immer mit Levis Beobachtungenübereinstimmten. Das betraf insbesondere den Mars; nach Ptolemaios’ Theorie variierte die scheinbare Größe des Planeten um einen Faktor 6, während Levis Beobachtung ergab, dass sie sich nur verdoppelte. Er verwendete auch ein Instrument eigener Erfindung, den »Jakobsstab«, ein Gerät zur Messung von Winkeln bei astronomischen Beobachtungen. Und er benutzte die – von Alhazen (Ibn al-Haitham) erfundene – Lochkamera zur Beobachtung der Eklipsen und zur Bestimmung der Exzentrizität des Sonnenlaufs. Sein astronomisches Werk war über 500 Jahre lang in Europa richtungweisend, und sein Jakobsstab wurde bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts für die Navigation auf See benutzt.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand in Oxford eine bedeutende Schule der Astronomie. Der berühmteste dieser Oxforder Astronomen war Richard von Wallingford (um 1292 – 1336). Als Sohn eines Schmieds studierte er von ungefähr 1308 bis 1315 in Oxford und trat dann dem Benediktinerorden in der Abtei von St. Albans bei. Zwei Jahre später wurde er erneut zum Studium nach Oxford geschickt und blieb dort bis 1327, als er zum Abt von St. Albans ernannt wurde. Zur Einsetzung durch den Papst reiste er nach Avignon und musste bei seiner Rückkehr nach St. Albans feststellen, dass er sich mit Lepra infiziert hatte. 1336 starb er an dieser Krankheit.
Alle seine Werke verfasste Richard während seiner Jahre in Oxford, darunter das
Quadripartitum
, die erste umfassende Abhandlung zur sphärischen Trigonometrie im lateinischen Europa. Sein wichtigstes Werk war der
Tractatus albionis
, der sich mit der Theorie, Konstruktion und Anwendung eines von ihm erfundenen Instruments befasst, das er Albion nannte, eine Art Äquatorium, das für alle Arten von astronomischen Messungen und Berechnungen geeignet ist.
Er baute auch eine riesige mechanische Uhr, mit einem Durchmesser von über 3 Metern, die er an der Wand des südlichen Querschiffs in der Abteikirche anbringen ließ. Neben der Tageszeitzeigte sie auch die Bewegung der Himmelskörper, die Mondphasen und die Gezeiten an. Die Uhr wurde im 16. Jahrhundert zerstört, aber es sind Zeichnungen von Richards Entwürfen erhalten geblieben – die ältesten überlieferten Pläne für eine mechanische Uhr, der raffinierteste Zeitmesser des Mittelalters. (Die ersten mechanischen Uhren in Europa entstanden vermutlich im ausgehenden 13. Jahrhundert.) Mit der mechanischen Uhr setzte sich eine neue Auffassung von Zeit als physikalischer Quantität durch, die numerisch in Einheiten auf einer Skala ausgedrückt und in wissenschaftlichen Theorien verwendet werden konnte. Da Richards Uhr zugleich ein Planetarium enthielt, verlieh sie der Auffassung vom Universum als einem von Gott konstruierten Uhrwerk Glaubwürdigkeit.
Die erste Erwähnung einer mechanischen Uhr in der Literatur ist vermutlich eine Passage am Ende des 10. Gesangs in Dantes
Paradiso
, der zwischen 1316 und 1321 entstand, rund zehn Jahre bevor Richard seine Uhr baute.
Drauf, wie die Uhr uns ruft mit dem Getriebe
Zur Morgenzeit, wo Gottes Braut lobpreist
Den Bräutigam, daß er sie wieder liebe,
Und dann ein Teil den andern stößt und reißt,
Und Glockenschlag erschallt mit solchem Klingen,
Daß dann vor Liebe schwillt der fromme Geist,
So sah ich das erlauchte Rad sich schwingen,
Voll Eifer Stimm an Stimm anzugleichen,
Voll Harmonie und Süße, wie sie singen
Im Himmel, wo die Freuden nie verstreichen.
Auch im Bereich der Optik entwickelte sich die neue europäische Wissenschaft weiter, die mit der Arbeit Robert Grossetestes und seines Schülers Roger Bacon in Oxford ihren Anfang genommen hatte. Der polnische Gelehrte Witelo (um
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