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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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studiert.
        »Im Grunde«, seufzte sie, »sollte man vielleicht die Rundreisen und die Aufenthalte in einem Badehotel nicht völlig voneinander trennen. «
        »Wie meinst du das?«
        »Denk doch an Nouvelles Frontières: Selbst abgesehen vom Badeurlaub am Schluß waren die Leute immer von einem Tag Strandurlaub mitten in der Rundreise sehr angetan. Und die häufigsten Klagen der Leute bezogen sich darauf, daß sie ständig das Hotel wechseln mußten. Vielleicht sollte man ganz systematisch die Exkursionen und die Strandaufenthalte abwechseln: eine eintägige Besichtigungsfahrt und anschließend einen Ruhetag und so weiter. Und jeden Abend geht es wieder ins Ho tel zurück, oder bei längeren Ausflügen jeden zweiten Abend; aber selbst dann, ohne daß sie wieder ihre Koffer packen oder das Zimmer aufgeben müssen. «
        »In den Clubs werden bereits Ausflüge angeboten; ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich Anklang gefunden haben. «
        »Ja, aber sie sind nicht im Preis inbegriffen, und die Franzosen zahlen sehr ungern einen Aufpreis. Außerdem muß man die Ausflüge vor Ort reservieren, und da zögern die Leute, zieren sich, können sich nicht entscheiden und unternehmen letztlich nichts. Dabei lieben sie in Wirklichkeit Entdeckungsreisen, vorausgesetzt, man nimmt ihnen die Arbeit ab; und vor allem haben sie es gern, wenn alles im Preis inbegriffen ist.«

        Jean-Yves dachte kurz nach. » Keine schlechte Idee, die du da hast«, sagte er. »Außerdem müßte es möglich sein, die Sache schnell auf die Beine zu stellen: Ich denke, daß wir dieses Konzept schon ab diesem Sommer in die normalen Aufenthalte integrieren können. Wir könnten es >Eldorador Entdeckung< oder irgend so etwas nennen. «
        Jean-Yves zog Leguen zu Rate, ehe er die Sache in Angriff nahm; er stellte schnell fest, daß sein Vorgesetzter keine Lust hatte, Stellung zu beziehen, weder dafür noch dagegen. »Die Verantwortung dafür tragen Sie«, sagte er nüchtern. Als Valérie mir von ihrer Arbeit berichtete, wurde mir beim Zuhören klar, daß ich nichts vom Management großer Unternehmen verstand. Das Gespann, das sie mit Jean-Yves bildete, war als solches schon eine Ausnahme. »Im Normalfall«, sagte sie zu mir, »hätte er eine Mitarbeiterin, die nur davon träumt, seine Stelle zu bekommen. Daher liegt manchen Entscheidungen in den Unternehmen auch eine eiskalte Berechnung zugrunde: Manchmal kann es sich als durchaus vorteilhaft erweisen, einen Mißerfolg zu erzielen - vorausgesetzt man kann die Verantwortung dafür auf jemand andern abwälzen. « Die Atmosphäre, in der Jean-Yves und Valérie arbeiteten, war jedoch eher entspannt: Niemand in
    nerhalb der Gruppe war auf den Posten der beiden versessen, die meisten Mitarbeiter aus der Chefetage waren der Ansicht, daß die Übernahme von Eldorador ein Fehler war.
        Bis Ende des Monats arbeitete sie viel mit Marylise Le François zusammen. Die Kataloge für die Sommerferien mußten unbedingt Ende April fertig sein, das war der letzte Termin, eigentlich war das sogar schon zu spät. Die Werbung von Jet Tours für die Clubs, das war ihr sofort klar, war völlig absurd gewesen. »Ferien im Eldorador ist wie einer dieser magischen Augenblicke, wenn in Afrika die Hitze nachläßt und das ganze Dorf sich unter dem Palaverbaum versammelt, um den alten Weisen zu lauschen... «, las sie Jean-Yves vor. » Sag mal ganz ehrlich, findest du das überzeugend? Und daneben die Fotos der Club-Betreuer, die in ihren beknackten gelben Anzügen Luftsprünge machen. Das ist wirklich die letzte Scheiße.«
        »Und was hältst du von dem Slogan >Das Leben in Eldorador: Eine starke Sache!        »Ich weiß nicht; ich weiß wirklich nicht mehr, was ich davon halten soll.«
        »Für das normale Clubangebot ist es zu spät. Die Kataloge sind schon verteilt. Aber eins ist sicher, für den Katalog >Entdekkung< müssen wir uns was völlig Neues einfallen lassen.«
        »Ich glaube«, warf Marylise ein, »wir sollten mit dem Kontrast von harten Bedingungen und Luxus arbeiten. Ein Pfefferminztee mitten in der Wüste, aber auf kostbaren Teppichen... «
        »Ja, die magischen Augenblicke...«, sagte Jean-Yves müde. Er erhob sich mühsam von seinem Stuhl. » Und vergeßt nicht, irgendwo > magische Augenblicke < einzubauen, seltsamerweise zieht das immer noch. So, jetzt muß ich mich aber wieder meiner Berechnung der Festkosten zuwenden...

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