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individuellen psychologischen Faktor erklären konnte; als ich einen Blick auf Jean-Yves warf, wurde mir plötzlich klar, daß er meine These so vollkommen veranschaulichte, daß es schon beinah peinlich war. Er vögelte nicht mehr, hatte keine Zeit mehr, es zu versuchen, aber darüber hinaus hatte er nicht einmal mehr wirklich Lust dazu und, was noch schlimmer war, er spürte, wie sich dieser Vitalitätsverlust in sein Fleisch eingrub und er allmählich den Geruch des Todes zu wittern begann. »Dabei habe ich gehört«, wandte er nach langem Zögern ein, »daß die Swingerclubs einen gewissen Erfolg haben. «
»Nein, die laufen immer schlechter. Es werden viele Lokale eröffnet, aber sie schließen sehr schnell wieder, weil sie nicht genug Kunden haben. Tatsächlich gibt es in Paris nur zwei Clubs, die sich halten, Chris et Manu und das 2 + 2, und selbst die sind nur samstags abends voll ; für einen Ballungsraum von zehn Mil lionen Einwohnern ist das wenig, und das ist noch viel weniger als Anfang der neunziger Jahre. Das Konzept des Partnertauschs, auf dem die Swingerclubs beruhen, ist ein sympathisches Konzept, das aber immer mehr aus der Mode kommt, weil die Leute keine Lust mehr haben, etwas mit anderen zu tauschen, egal was es ist, das entspricht nicht mehr der modernen Mentalität. Meiner Ansicht nach hat der Partnertausch heute etwa die gleichen Überlebenschancen wie das Trampen in den siebziger Jahren. Das einzige Gebiet, auf dem sich heute noch etwas tut, ist die SM-Szene...« In diesem Augenblick warf mir Valérie einen entsetzten Blick zu und versetzte mir sogar einen Tritt gegen das Schienbein. Ich blickte sie überrascht an und brauchte ein paar Sekunden, ehe ich kapierte: Nein, natürlich würde ich nicht über Audrey sprechen; ich gab ihr mit dem Kopf ein kleines beruhigendes Zeichen. Jean-Yves hatte die Unterbrechung nicht bemerkt.
»Also«, fuhr ich fort, »auf der einen Seite hast du mehrere hundert Millionen Menschen in der wesdichen Welt, die alles haben, was sie sich nur wünschen, außer daß sie keine sexuelle Befriedigung mehr finden : Sie suchen unablässig, aber sie finden nichts, und sie sind darüber unglücklich bis auf die Knochen. Und auf der anderen Seite gibt es mehrere Milliarden Menschen, die nichts haben, kläglich verhungern, jung sterben, unter ungesunden Bedingungen leben und nichts anderes mehr zu verkaufen haben als ihren Körper und ihre intakte Sexualität. Das ist einfach, wirklich einfach zu begreifen: Das ist die ideale Tauschsituation. Das Geld, das man damit verdienen kann, ist kaum vorstellbar: mehr als mit der Informatik, mehr als mit den Biotechniken, mehr als mit der Medienindustrie; es gibt keinen Wirtschaftsbereich, der sich damit vergleichen läßt.«
Jean-Yves erwiderte nichts ; in diesem Augenblick setzte das Orchester ein und spielte das erste Stück. Die Tänzerinnen waren hübsch und lächelten, ihre Faltenröcke wirbelten durch die Luft, so daß ihre gebräunten Schenkel zu sehen waren, sie ver anschaulichten vortrefflich meine Worte. Ich dachte erst, er würde nichts sagen, sondern erst einmal den Gedanken in Ruhe verarbeiten. Doch nach fünf Minuten wandte er ein: »Aber dein System läßt sich nicht auf die islamischen Länder anwenden...«
»Das ist doch kein Problem, bei ihnen machst du mit >Eldorador Entdeckung< weiter. Du kannst sogar ein härteres Konzept entwickeln, mit Trecking und > Zurück zur Natur <, zur Not sogar so was wie Survivor, und das kannst du ja > Eldorador Abenteuer < nennen: Das läßt sich bestimmt in Frankreich und in den angelsächsischen Ländern gut verkaufen. Die sexorientierten Clubs dagegen könnten bei den Kunden aus den Mittelmeerländern und Deutschland gut ankommen.«
Diesmal lächelte er breit. »Du hättest eine Karriere in der Wirtschaft machen sollen«, sagte er halb im Ernst zu mir. »Du hast gute Ideen...«
»Na ja, Ideen...« Mir schwirrte leicht der Kopf, ich konnte die Tänzerinnen nicht einmal mehr auseinanderhalten, leerte meinen Cocktail in einem Zug. » Ich hab vielleicht Ideen, aber ich bin unfähig, mich in eine Gewinn- und Verlustrechnung zu vertiefen oder einen Haushaltsvoranschlag aufzustellen. Na ja, aber Ideen hab ich wohl... «
Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie der Abend weitergegangen ist, ich muß wohl eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, lag ich im Bett; Valérie lag nackt neben mir und atmete regelmäßig. Ich weckte sie
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