Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
beschloss, sich Herrn von Brennerstein bald einmal genauer anzusehen. Sie dankte Bartholomä für seine Offenheit und übergab das Büro quasi den Kollegen, die sich Reginas Computer vornehmen würden.
Dann beschloss sie, einen kurzen Blick in Reginas Schlafzimmer zu werfen. Darin stand ein Metallbett in ein Meter vierzig Breite, ein alter schwerer Kleiderschrank, eine Kleiderstange und eine Bank unterm Fenster. Die Bettwäsche war in Gelb und Orange gehalten. Regina war nicht sonderlich ordentlich gewesen, ein paar Kleidungsstücke hingen nachlässig über dem Bettgestell oder über der Kleiderstange. Bei ihren Leinenturnschuhen hatte sie den Fersenbereich hinuntergetreten.
Irmi öffnete den Schrank und registrierte eine große Anzahl von hochwertigen Jeans und Blazern – von Jagdstil über ländlich-sittlich bis zu einem Lederblazer in Orange und einer einer Jeansjacke mit Nieten. Regina war mit Sicherheit der Typ Frau gewesen, der eine Jeans anziehen konnte und dazu eine einfache Bluse und einen dem Anlass entsprechenden Blazer – und die immer bezaubernd ausgesehen hatte. Der Schrank zeugte davon, dass sie ihren Stil gekannt hatte, damit gespielt und nicht allzu viel Zeit auf Styling verwendet hatte. Auch in dem Fernsehauftritt hatte sie so gewirkt: lässig-elegant, aber nicht nachlässig.
Auf dem Fensterbrett standen drei Fotos: eins von Robbie, als er zwölf gewesen sein mochte, eins der verstorbenen Mutter, die ihr auffallend ähnlich sah, und eins vom Vater. Hier wirkte er weniger Ehrfurcht gebietend als auf dem Ölbild. Er sah sanft aus, ein wenig unglücklich. Das Ölbild unten sollte einen Gutsherrn darstellen, hier oben war er ein verletzlicher Mann und Vater, fand Irmi. Wer bist du gewesen, Regina von Braun? Noch immer verwehrte die Tote Irmi jeden Zugang.
Weil ein Stück der Hauptstraße wegen eines Unfalls gesperrt war, fuhr Irmi hintenrum, Richtung Tierheim, und es ließ sie jedes Mal schaudern: Sie hatten den Wald geschändet, sie hatten eine Mondlandschaft geschaffen für einen Tunnel, der nun wohl auf ewig eine leere Röhre bleiben würde. Lächerliche hundert Millionen fehlten … Natürlich hatten die Naturschützer schon früher darauf hingewiesen, dass das Wasserproblem im Gestein sehr drängend sei. Doch die hatte keiner gehört im Olympia-Bewerbungsrausch. Nun war der Tunnel verschlossen, die Natur zerstört. Vielleicht könnte Garmisch darin nun Tunnelpartys veranstalten, die Feriengäste wurden ja eh immer älter. So würde man eventuell die Partyjugend anlocken können.
Als Irmi im Büro eintraf, wurde gleich ein Anruf zu ihr durchgestellt. Seit ihrem letzten großen Fall hegte Irmi eine große Sympathie für die Lokaljournalistin Tina Bruckmann. Mit Kathi verband sie sogar eine echte Freundschaft, die beiden unternahmen häufig etwas zusammen. Nun erkundigte sich Tina Bruckmann über den neuen Fall. Irmi war wenig überrascht, wie schnell etwas durchgesickert war. Sie lebten hier in Garmisch, im Werdenfels, die Welt war klein, Informationen und mehr noch Fehlinformationen und Halbwahrheiten waren schneller als der Schall. So gab sie kurz Auskunft und erklärte, Tina Bruckmann dürfe selbstverständlich eine kleine Meldung bringen, morgen würden sie sowieso eine Pressekonferenz geben müssen.
Gerade als Irmi zu Hause ein paar Wursträdchen und ein Stück Käse auf einen Teller geladen und eine Scheibe vom Brot abgeschnitten hatte, das sich in einem Übergangsstadium zum Holzprügel befand, kam Bernhard herein.
»Heute nix mit Feuerwehr?«, fragte Irmi.
»Nein, der Kommandant hat keine Zeit, der zweite auch nicht.«
Na, hoffentlich hatten die im Ernstfall kein Zeitproblem, dachte Irmi.
»Ein Bier?«, fragte Bernhard.
Irmi nickte, und Bernhard stellte eine Flasche vor seiner Schwester ab.
»Neuer Fall?«
»Ja, Regina von Braun wurde erschossen.«
»Die von Braun?«
»Ja. Kanntest du sie?«
Über die Jahre hatte Bernhard gelernt, dass seine Schwester nur dann redete, wenn sie durfte oder es ihr danach war. Und dass es Irmi war, die die Fragen stellte.
»Kennen, ja mei. Sie war öfter mal auf Veranstaltungen der Waldbauernvereinigung.«
»Attraktive Frau, oder?«
»Ja mei.«
»Bernhard!«
»Ja, is des jetzt ein Verhör?«
»Nein, aber wie fandest du sie?«
»Sah nicht schlecht aus. Zu dünn für meinen Geschmack. Schlau war sie aa.«
»Schlau oder Schlaumeier?«
»Das ist Geschmackssache.«
»Ach, Bernhard!«
»Also, ich fand, sie war gut informiert für a
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