Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
Mitarbeiter des Hasenteams hereingepoltert kamen. Der Schnapsschrat kam ihr allmählich zu nahe. Sie übergab den Kollegen die Waffen, ermahnte den Hias, seine Stiefel herauszugeben, und verabschiedete sich mit einem fröhlichen »Pfiat di«.
Kathi stand vor dem Haus und war immer noch in Rage. »Ich glaub dem kein Wort. Der wildert doch sicher noch. Und wenn der sagt, die Regina sei ein saubers Weibets gewesen, dann hat er die sicher angebaggert. Schönes Motiv: Er konnte bei ihr nicht landen und ist ausgetickt!«
Das mit dem sauberen Weibets hatte Irmi schon von ihrem Bruder gehört. All den Männern schien es da ähnlich zu ergehen. Man musste zugeben, dass sie attraktiv gewesen war und klug – und unheimlich war sie ihnen allen deshalb gewesen. »Kann alles sein, ich möchte jetzt aber erst mal die Auswertung von Reginas Computer sehen«, sagte Irmi und erzählte ihrer Kollegin von dem geplanten Buch.
»Was wird da schon drinstehen? Die Story vom röhrenden Hirsch eben. Der haarige Waldschrat war es. Puh, da weiß man doch, wo der Mensch herstammt, oder! Dieser haarige Aff, der! Woher willst du überhaupt wissen, dass der dir alle Waffen gegeben hat, die Tatwaffe kann er doch leicht versteckt haben.«
»Klar, ich an seiner Stelle würde das tun.«
»Was soll dann das Ganze?« Kathi starrte Irmi an.
»Ich wollte ihn aufschrecken. Der macht einen Fehler, wenn er was damit zu tun hat. Er ist viel zu mitteilsam und muss Aufmerksamkeit erregen. Waldschrat in der Midlife-Crisis, würde ich sagen. Und jetzt geht’s ab ins Büro, und die Storys von den Hirschen lesen, ob nun röhrend oder nicht.«
»Irmi, du hast sie nicht mehr alle! Wirklich wahr!«
»Kathi, du auch nicht!«
4
Juni 1936
Ich hatte gehofft, dieses Jahr würde es anders sein. Weil doch auch die Johanna da ist, und die ist viel hübscher als ich. Auch ein wenig rundlicher. Dabei ist sie erst fünfzehn. Unten in Vorderhornbach spielen sie es auf dem Fozzahobel, dass die Johanna Tuttagrätta braucht. Ihre Mutter bindet ihr die Brust immer eng zusammen, aber die Johanna macht die Binde immer wieder auf. Mit dem Konrad aus Vorderhornbach war sie schon mal im letzten Winter im Gada gewesen, sie versündigt sich, die Johanna. Aber das ist ihr ganz gleich.
Die Johanna hat gesagt, das ist eben so. Das gehört dazu. Dass ich den Herrn gewähren lassen soll und dass ich deshalb besser zu essen bekomm. Dieses Jahr ist er in den ersten Monaten gar nicht gekommen, aber jetzt kommt er fast jede Woche. Ich halte ganz still, ich darf nicht schreien und weinen. Am Anfang hat es mehr wehgetan, und die Johanna sagt, auch das gehört dazu. Ich habe die Johanna gefragt, ob der Herr nie zu ihr komme. Aber sie sagt Nein und dass sie lieber ein Auge auf den Herrn Student werfen würde.
Sie poussiert mit ihm, sie ist so kühn, die Johanna. Und er setzt ihr solche Flausen in den Kopf. Sie hatte schon öfter ein Stelldichein mit ihm in der Kutschenremise. Sagt, dass er ganz weiche Hände habe und dass sie mit ihm durchbrennen wolle und dass sie mit ihm nach Amerika gehen werde.
Abends lege ich immer zwei Herrengedecke auf, und die Männer politisieren. Der Herr flucht dann immer, flucht, dass er Ostpreußen nicht verlassen habe, um nun wieder von Hitler gestört zu sein. Die Verträge von Locarno habe der Herr Hitler gebrochen, und ins Rheinland sei er einmarschiert. Mir sagt das alles nichts, das ist so weit weg. Und der Herr Student faselt von einem Mussolini, der Äthiopien niedergerannt hat. Und er spricht von den Faschisten und davon, dass er nach Amerika gehen wolle. Vom Herrn gibt es dann Schelte, dass er ein Feigling sei, dass man sich im Lande wehren müsse. Ich serviere dann immer noch mehr Cognac, und wenn der Herr dann zu mir kommt, ist es schlimm. Er ist grobschlächtig, er wütet über mir. Manchmal möchte er auch, dass ich vor ihm niederknie. Ach, lieber Herrgott, wäre ich doch besser am Hornbachjoch gestorben. Ich habe so viele böse blaue Flecke, die ich verbergen muss. Wenn er fertig ist, streicht er mir über die Wange und flüstert: »Entschuldige.«
Sie hatten sich in Mittenwald beim Rieger drei Butterbrezen gekauft und beäugten die Bahnhofstraße. Das gigantische Hotelprojekt ruhte wegen einer Klage der Anwohner. Vielleicht würde Mittenwalds Traum, ein zweites Fünf-Sterne-Seefeld zu werden, ganz scheitern.
Kathi mümmelte gerade im Auto an ihrer zweiten Breze und maulte mit vollem Mund: »Dieser Arsch, dieser Aff, den kriegen wir!« Irmi
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