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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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natürlich noch viel weniger.«
    »Aber Wildern ist doch verboten!«, sagte Andrea und klang wieder wie ein naives Mädchen.
    »Die Rechtslage ist ein Witz. Die Wilderei gilt in Deutschland als Straftat gegen das Vermögen und gegen Gemeinschaftswerte. Das könnte mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet werden, was aber fast nie vorkommt. Die Tierschutzvergehen sind immer noch zu stark unterbewertet!« Kugler schnaubte. »Ich höre immer, die Wilderer hätten einen Ehrenkodex, aber in der Realität schießen sie dem Kind die Mami weg! Sie lassen Tiere leiden, aber solange das Tier im juristischen Sinn als Gegenstand gesehen wird und Wilderer eine gewisse Akzeptanz erfahren, sind wir weit weg von Gerechtigkeit.«
    Andrea war ganz blass geworden. Irmi wusste, dass ihr der letzte große Fall, bei dem viele Tiere so erbärmlich hatten leiden müssen, an die Nieren gegangen war. Und nun gab es schon wieder solche unappetitlichen Geschichten. Und jetzt setzte der Revierleiter noch eins drauf.
    »Und glauben Sie bloß nicht, es ginge nur um unsachgemäße Schusswaffen. Längst sind wieder die Fallensteller unterwegs. So skurril das auch klingen mag: In Augsburgs westlichen Wäldern, ja, sogar im Stadtwald geht eine Russenmafia um, die mit Drahtschlingen wildert. Frei nach dem Motto: Das haben wir zu Hause so gemacht und importieren das jetzt nach Deutschland. Aus diesem Milieu stammt auch die Praktik, ganze Weiher abzulassen und die Fische abzugreifen oder mit riesigen Schleppnetzen abzufischen – illegal natürlich. Das erfüllt eindeutig den Tatbestand der Fischwilderei. Ich denke, dass …«
    »Herr Kugler, Sie sagten, man müsse die Gewohnheiten ausloten. Kennen Sie denn jemanden, der wildert?«, stoppte Irmi ihn erneut.
    »Kennen oder kennen?«
    »So gut kennen, dass Sie einen Namen nennen würden?«
    »Da gibt es einen, der macht gar keinen Hehl draus, dass er wildert. Der hat noch jede Menge Wildererlobby und seinen Fankreis. Er ist Musikant und ewiger Stenz, der hat das Wildern fast schon zur Kunstform erhoben und erfreut die gewogene Damenwelt gerne mal mit Wildbret. Der Welt ist er als Karwendel-Hias bekannt.«
    Sailer merkte auf: »Aber des is doch oaner, der beliefert aa die Moserbärenhüttn, wo’s hinter Scharnitz auffi geht.«
    »Sicher. Der Wirt will nicht wissen, wo das Fleisch herkommt«, sagte Kugler grimmig.
    »Und ihr könnt da gar nichts machen?«, fragte Andrea.
    »Wenig, die halten doch alle zamm, de Sauhund«, grummelte der Revierjäger.
    Aber ob sie auch zusammenhalten würden, wenn es um Mord ging? Eine tote Gams, ein Hirsch, na gut – aber eine hübsche Biologin? Würde da der eine für den anderen den Kopf hinhalten? Irmi bezweifelte das, und sie hoffte auf die mangelnde Loyalität in den Dörfern. Solidarisch war man selten, und schon gar nicht, wenn sich das eigene Krawattl zuschnürte. Andererseits – auch da hatte Irmi jede Illusion verloren – gab es düstere Mauern des Schweigens. Wenn der Täter einer war, der im Verdacht stand, sich zu rächen, egal, ob er Zäune aufschnitt und das Vieh auf die Bundesstraße trieb, egal, ob er Rundballen klaute oder ob er gerne an anderer Leute Höfe zündelte – die Dorfbewohner hielten sich alle fein stad. Hauptsache, sie traf es nicht. Das Schweigen in Feigheit war allemal besser als das Sterben im Mut.
    »Dann fragen wir den doch mal«, meinte Irmi. »Der wohnt wo?«
    »Mittenwoid«, sagte Kugler. Und er sagte das so, als sei damit auch alles gesagt. Mittenwald, mitten im Wald eben. Hohe Berge, enge Täler, enge Gemüter. Irmi wunderte sich stets, dass diese gewaltige, diese orchestrale Landschaft aus Farben und Formen nicht große, kühne Menschen hervorbrachte. Hätten sie nicht kühne Gedanken hegen müssen und hochfliegende Ziele haben? Es lag so viel Kraft in dieser Landschaft, die Menschen aber machten nichts daraus. Vielleicht duckten die sich einfach unter so viel Energie. So wie Menschen sich immer wegduckten. Wahrscheinlich hatte Regina von Braun die Menschen in ihrer Umgebung mit ihrer Energie erschlagen.
    Als Kugler schließlich ging, schickte Kathi ihm ein Stöhnen hinterher. »Der hört sich aber auch gern reden.«
    »Der hat eben ein Anliegen«, sagte Andrea und hielt Kathis Blick stand. Mehr noch: Ihr Blick besagte, dass Kathi sich eben für gar nichts engagiere.
    Irmi trat mitten hinein in die Kampfeslinie der beiden und wandte sich an Kathi: »Gut, auf geht’s ins Karwendel zum Hias! Pack mer’s.«
    Kathi folgte ihr

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