wollten. Andrea, wie heißt der Verlag?«
»Corecta Verlag, mit Sitz in Österreich. Ich hab dir die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse der Lektorin aufgeschrieben.«
Irmi nahm den Zettel. Eine Nummer in Innsbruck und die Adresse
[email protected].
»Gut, ich ruf da morgen mal an. Wir machen jetzt Schluss und warten auf die Auswertung der Waffen vom Karwendel-Hias. Morgen fahren wir zu diesem von Brennerstein. Sonst noch was, bevor wir eine kurze PK für die Lokalpresse geben?«
»Die Computerspezeln von der KTU haben rausgefunden, dass an Reginas PC mehrfach mit dem Passwort rumprobiert worden ist.«
Irmi sah Andrea überrascht an. »Das heißt, da war einer dran, der sich Zugang zu ihren Dateien verschaffen wollte?«
»Sieht ganz so aus.«
»Was war denn das Passwort?«
»Na ja, sie haben es natürlich mit den Familienmitgliedern versucht, dann alle Tiernamen, Geburtstage und so.«
»Ja, und?«
»Das Passwort war Platzhirsch.«
»Wow!«, rief Kathi.
»Da kommt ja keiner drauf«, sagte Irmi bewundernd.
»Die KTU schon«, meinte Kathi grinsend.
Irmi dankte ihren Leuten und verabschiedete sich in die PK. Außer Tina Bruckmann waren die üblichen Verdächtigen der Region anwesend, die Skandalmedien hatten wohl noch keinen Wind von der Geschichte bekommen oder das Ganze noch nicht als boulevardwürdig erachtet. Bisher gab es von der Polizei aus auch wenig zu sagen. Eine tote Biologin, ein Kleinkalibergeschoss, eine Tatzeit, bislang keine Motive. Das Buch mit den Jagdgeschichten würde Irmi momentan noch nicht erwähnen, das hatte sie mit dem Pressesprecher und der Staatsanwaltschaft so abgestimmt. Sie sprachen auch nicht explizit darüber, dass man es hier mit einem Wildererkaliber zu tun hatte, darauf würden die Schreiberlinge, sofern sie pfiffig waren, von selbst kommen.
Nachdenklich fuhr Irmi schließlich heim. Im Kopf wirbelten Bilder, Worte und Sätze herum. Doch, sie hätte manchmal etwas für einen dieser Jobs gegeben, die man einfach hinter der Bürotür lassen konnte.
Platzhirsch, interessantes Passwort. Wen hatte sie damit gemeint? Ihren Lover, ihren Ex? Einen anderen Mann? Ihren Vater vielleicht? Oder war das einfach ein Gag, ein Wort, das ihr gerade eingefallen war? Ein Mann, dein Mann, mein Mann, schoss durch Irmis Kopf, und sie dachte an ihn . Sie wählte auf dem Handy seine Nummer an, doch es meldete sich wieder nur seine Mailbox. Irmi wusste, dass er gerade irgendwo in Russland unterwegs war, und sie hatte keine Ahnung, wie es da mit dem Telefonnetz aussah. Das war ja schon in Bayern katastrophal und löchrig wie ein Käse.
Mein Mann? Er war doch ihr Mann, zumindest gefühlt. Aber Irmi hatte sich immer schon unwohl gefühlt mit Possessivpronomen bei Menschen. Es gab Leute, die mit ihrem Besitz herumprotzten: mein Haus, meine Jacht, meine Frau, mein Hund, mein Pferd. Aber Lebewesen besaß man nicht, Lebewesen begleiteten einen auf Teilstrecken eines Lebens. Mein Lebensgefährte? Ein Gefährte war ursprünglich jemand, der einen auf einer längeren Reise begleitete. Oder kam das Wort doch von Gefahr? Lebensabschnittspartner, das ging gar nicht, fand Irmi. Eine Affäre klang so flüchtig, dabei war ihre Affäre doch gar nicht so flüchtig, immerhin kannte sie ihn schon seit einigen Jahren. Und liebte ihn. Sie liebte ihn doch? Lover? Liebhaber? Was war er eigentlich in ihrem Leben?
Heute war er abwesend, unerreichbar, nur weil ein Mobiltelefon seinen Dienst verweigerte. Und gerade heute wog das so schwer. Aber sie hatte ja ihre Kater zum Reden. Sie lagen nicht, wie erwartet, in Irmis Bett, sondern saßen vorwurfsvoll auf dem Fensterbrett. Irmi brauchte eine Weile, um die Lage zu überblicken. Sie hatten es geschafft, eine fast volle Literflasche Mineralwasser vom Nachtkästchen ins Bett zu kippen. Ein Bett, das nun geflutet war. Und darin konnte man als Katze ja wahrlich nicht liegen. Als Mensch auch nicht. Irmi zog das Bett ab, stopfte Küchenhandtücher unter das frische Leintuch, damit sie die Feuchtigkeit aufsaugten. Tiere erzogen zur Ordnung – was hatte sie die Flasche auch nicht verschlossen?
Irmi erwachte am nächsten Morgen um halb sieben. Bernhards höllenstarker Kaffee stand parat, und auch die Zeitung lag auf dem Tisch. »Wildererschuss auf Biologin?« Tina Bruckmann war pfiffig, sie hatte am Abend noch Kontakt mit Kugler aufgenommen, der als Revierjäger natürlich von diversen Fällen der Wilderei zu berichten wusste, bei denen mit demselben Kaliber geschossen