Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
worden war wie beim Mord an Regina von Braun.
Vom Büro aus meldete sie sich beim Corecta Verlag in Innsbruck. Eigentlich hatte sie gar nicht damit gerechnet, dass die Lektorin um kurz nach acht schon ans Telefon gehen würde. Diese Menschen in Kreativberufen begannen doch erst gegen zehn. Wenn überhaupt. Aber Anita Schmidt war schon am Platz und stellte auch gar nicht infrage, dass Irmi wirklich von der bayerischen Polizei war. Sie schien tief betroffen, dass Regina tot war.
»Was passiert denn nun mit dem Buch?«, fragte Irmi schließlich.
»Keine Ahnung. Ich muss das mit der Verlagsleitung besprechen. Es gibt ja Rechtsnachfolger, die auch die Tantiemen der laufenden Bücher bekämen. Ob das Buch nun erscheint, keine Ahnung. O Gott, wie furchtbar.«
Rechtsnachfolger wäre dann Robbie, nahm Irmi an. Regina hatte im Corecta Verlag bereits vier Bücher veröffentlicht, eines über die Biologie von Reh und Rotwild, ein Kinderbuch mit vielen Bildern, ein Buch über die Haltung von Rentieren in Mitteleuropa und eines über Gemüseanbau.
»Das Gemüsebuch ist aus den Aufzeichnungen ihrer verstorbenen Mutter entstanden. Ein sehr schöner Text, wie ich finde«, sagte die Lektorin. »Ihre Mutter war Autodidaktin, sie hatte sagenhafte Ideen und sehr einfache und praktikable Tipps. Mein Gemüse gedeiht prächtig, seit ich diese Ratschläge berücksichtige.«
Irmi dachte, dass sie das ja vielleicht auch einmal lesen sollte. Ihr mangelte es am grünen Daumen. »Das aktuelle Werk dagegen ist ja ziemlich brisant.«
»Wir sind ein Naturbuchverlag mit einem Fokus auf Jagdthemen, auf Hundebücher und Kochbücher. Wir sind kein Magazin, aber unsere Verlagsleitung hat sich ganz klar dafür entschieden, auch mal was Kritisches zu veröffentlichen. Die meisten Jäger werden das ja nicht auf sich beziehen. Sie sind ja die Guten.« Sie lachte unsicher.
Ja, die Guten und die Schlechten. Immer diese schwierige Grenzziehung.
»Frau Schmidt, das finde ich ja durchaus löblich. Ich nehme auch an, die Verlagsleitung erwartet sich gute Absatzchancen. Aber Sie bewegen sich da auf sehr dünnem Eis, oder? Haben Sie nicht Angst vor einem Schwall von Klagen?«
»Wir können die Geschichten nicht mit den Klarnamen bringen. Das ist sicher.«
Irmi horchte auf. »Wir haben den PC von Regina von Braun sichergestellt. Und da sind die Geschichten alle personalisiert. Ein Marc von Brennerstein und seine Jagdpraktiken beispielsweise kommen da gar nicht gut weg.«
»Das ist die erste Version. In der lektorierten Fassung erzählen wir Geschichten, aber ohne Namen. Mit Namen, das ginge doch gar nicht! Du lieber Himmel!«
»Nun, den Absatz des Buches könnte das aber ankurbeln, oder?«
»Ja, aber die Arbeit unserer Rechtsabteilung auch. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir nur Andeutungen machen, es kann ja jeder selbst etwas hineininterpretieren.«
»Und Regina von Braun war damit einverstanden?«, fragte Irmi.
»Anfangs nicht, dann aber schon. Der Verlag hat ganz klar gesagt, dass er gerne üble Praktiken brandmarkt, aber ohne Namen. Wir lehnen uns auch schon so weit aus dem Fenster, das sage ich ihnen!«
Anita Schmidt klang ein wenig skeptisch. Irmi hatte den Eindruck, dass wohl vor allem die Verlagsleitung das Buch bringen wollte und weniger diese Lektorin. Einige der Geschichten würden sicher auch ohne Namensnennung Staub aufwirbeln. Zwar hatte so ein Jagdbuch bestimmt keine so hohen Auflagen wie diese albernen Krimis, die heutzutage die Schaufenster der Buchläden zuhauf bevölkerten. Und es waren schon gar nicht die Bestsellerauflagen dieser mittelalterlichen Softpornos zu erwarten, deren Erfolg sich Irmi auch nicht erschloss. Aber einige Leute würden es genau lesen, Leute wie Marc von Brennerstein. Und die hatten Einfluss in Bayern!
Irmi bedankte sich für die Auskünfte, hinterließ ihre Telefonnummer und informierte ihre Leute. Sailer und Sepp war anzusehen, wie angestrengt sie nachdachten. Andrea blickte zu Boden.
Kathi übernahm schließlich das Wort. »Aber wenn im Buch keine Namen fallen, dann sind wir doch auch unser Mordmotiv los, oder? Dann hätte dieser von Brennerstein ja keinen Grund, Regina aus dem Weg zu schaffen.«
»Außer er hat nicht gewusst, dass die Namen entfallen. Was, wenn er in Reginas Computer geschnüffelt, seine Story gelesen und sie anschließend zur Rede gestellt hat? Jemand hat ja versucht, ihr Passwort zu knacken.«
»Aber konnte er denn sicher sein, dass Reginas Tod das Erscheinen des Buchs
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