Platzkarte zur Hölle Kommissar Morry
orientiert bin."
„Hm."
„Kommen wir zur Sache. Was wünschen Sie von mir, Mr. Calzetti?"
„Ich wünsche, daß Sie vergessen, was sich in Mrs. Russells Wohnung ereignet hat . . . oder vielmehr nicht ereignet hat."
„Warum soll das Mädchen sterben?"
„Wer sagt, daß sie sterben soll?" fragte Calzetti träge.
„Mir machen Sie nichts vor!"
„Vergessen Sie die Russells, vergessen Sie auch, daß Birchy Sie gegen Ihren Willen in dieses Haus brächte . . . kümmern Sie sich um Ihre Bücher, um Pferdewetten, Polo und Golf, oder was Ihnen Spaß macht. Begreifen Sie, daß Ihnen damit ein großes Geschenk zuteil wird..."
„Ein Geschenk?"
„So ist es, mein Junge."
„Ich verstehe. Nicht alle Leute dürfen dieses Haus verlassen."
„Hin und wieder stößt einem der Gäste etwas zu", räumte Calzetti ein.
„So wie Chreston, nicht wahr?"
„Der war nicht mein Gast."
„Aber Sie haben ihn auf dem Gewissen!“
„Ich?"
„Nein, nicht Sie persönlich . . . Sie machen sich die Finger nicht mehr schmutzig."
„Unsinn."
„Hören Sie, Calzetti . . . von nun an sind wir Feinde!"
„Wir waren noch niemals Freunde."
„Stimmt. Ich wußte, daß es Sie in dieser Stadt gibt. Für mich waren Sie ein konturenloser, nebelhafter Begriff . . . wie eine Figur aus einem Sensationsblatt, die man nicht wirklich ernst nimmt. Jetzt weiß ich, daß Sie mehr sind, jetzt weiß ich, daß es Sie gibt und daß Sie das Schlechte personifizieren. Rein machtmäßig bin ich Ihnen gegenüber nur ein kleiner, unbedeutender Fisch . . . ein Mann in scheinbar aussichtsloser Position, Aber das wird mich nicht abhalten, Sie mit allen Mitteln zu bekämpfen."
„Sie haben eine geradezu selbstmörderische Einstellung zum Leben."
„Im Gegenteil. Meine Einstellung ist sehr positiv. Das beweise ich mit dem Umstand, daß ich bemüht sein werde, Sie zur Strecke zu bringen!"
Calzetti seufzte. „Schade, Wyndham . . . ich schätze ganz allgemein tapfere Männer, aber ich hasse und verachte Dummköpfe. Sie sind einer! Wie können Sie es nur wagen, so zu sprechen, obwohl Sie sich in meiner Gewalt befinden? Nun, Sie hatten Ihre Chance . . . jetzt werde ich die Taktik ein wenig ändern."
Er drückte auf einen Klingelknopf, der sich unter der Bespannung des Sessels verbarg. Birchy betrat mit gespannter Pistole den Raum. „Was gibt's, Chef?"
„Führe unseren Besucher raus."
Nach diesen Worten sank der Gangsterboß' wieder in sich zusammen; seine Augen verloren jeden Ausdruck, sie waren wie Nebel über einer schmutziggrauen Landstraße.
Er blickte nicht in die Höhe, als sich die Tür hinter den beiden Männern schloß.
*
„Mr. Callords!" sagte Mrs. Russell. Der Ton, in dem sie den Namen äußerte, ließ erkennen, wie sehr sie das Auftauchen des Besuchers erstaunte.
Edward Callords lüftete den Borsalino und lächelte. „Ich begreife, daß Sie mein plötzliches Auftauchen überrascht, Madame. Ich hätte mich telefonisch ankündigen sollen . . . aber dann schien es mir einfach albern, ein Gespräch auf diese Weise zu arrangieren . . ."
„Darf ich Sie bitten, einzutreten?" sagte Mrs. Russell verlegen.
Ihre Haltung schwankte zwischen frostiger Ablehnung und leiser Hoffnung. Edward Cal- lords' Einfluß auf die New Yorker Gesellschaft war groß. Wenn er sich für die Russells verwendete, konnte man sicher sein, daß der Bann, der über der Familie lag, schon bald gebrochen sein würde. Aber bis jetzt hatte er im feindlichen Lager gestanden. Was also sollte ihn veranlassen, die Fronten zu wechseln.
Als er in der Garderobe seinen Mantel ablegte, sagte er höflich: „Sie haben es ganz reizend hier!"
„Wir sind zufrieden", erklärte Mrs. Russell. „Es ist ein wenig eng, wenn man es mit dem Haus vergleicht, das wir zu Lebzeiten meines Mannes bewohnten."
Edward Callords warf einen Blick in den Garderobenspiegel und fuhr sich ordnend über das Haar. „Der arme Wilbur", murmelte er. „Er war ein so guter Freund."
Bitterkeit übermannte die Frau. „War er das?" fragte sie. „Ich bedaure feststellen zu müssen, daß Ihr Benehmen nicht immer dieser Tatsache gerecht zu werden vermochte."
Mr. Callords zuckte mit einem schmerzlichen Lächeln die Schultern. „Deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen, Mrs. Russell. Ich möchte Sie bitten, mich anzuhören."
Mrs. Russell führte den Besucher in den Salon. Dort nahmen sie Platz. Callords lehnte dankend das Angebot ab, einen Drink zu sich zu nehmen.
„Lassen Sie uns sofort zur Sache kommen",
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